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Die 1100 Jahre der deutsch-ungarischen Kontakte, 7. Teil
Von dem 31. Oktober fallen einem oft nur noch die lauten Halloween-Partys ein, obwohl mehrere christliche Konfessionen auch an diesem Tag ihre Feste feiern. Die katholische Kirche den Vorabend von Allerheiligen, während die protestantischen den Tag der Reformation. Denn Martin Luther nagelte ihre 95 Thesen auf das Tor der Wittenberger Burgkirche.
Die Hauptzielsetzung der Reformation war die katholischen Kirche von den während den Jahrhunderten aufgelagerten Äußerlichkeiten zu reinigen. Die Reformatoren wollten eine reinere, einfachere Religiosität schaffen. Martin Luther selbst war gelernter Pfarrer. Im Vergleich zu den damaligen Verhältnissen entschied er sich relativ spät für die kirchliche Laufbahn, als er in den Augustinerorden eintritt. Anfänglich stand die Gründung einer eigenständigen Konfession nicht in seinen Planen, aber wegen seiner radikalen Forderungen kam es schnell zu Konflikten mit Rom. Die lutherischen Lehren wurden 1530 in einem einheitlichen System zusammengefasst, das war das sich aus 28 Artikeln zusammensetzende Augsburger Konfession.
In den deutschen Gebieten hat auch heute die lutheranische Reformation die größte Wirkung, aber in Ungarn ist die von Johannes Calvin gestiftete reformierte Richtung mindestens so stark. Der gebürtige Franzose erlernte die „sieben frein Künste“ in Paris, danach studierte er Jura. Seine Tätigkeit als Reformator begann er in den 1530er Jahren, sein Hauptwerk, das Institutio Christianae Religionis erschien 1536. Das Zentrum der calvinistischen Reformation ist die Schweiz, näher die Stadt Genf, wo Calvin in den letzten Jahren seines Lebens Vollmacht besaß.
Die Wirkungen der Reformation sind nicht einschätzbar, und betreffen weit nicht nur das religiöse Leben. Eine der wichtigsten Forderungen Luthers war der muttersprachliche Gottesdienst anstatt den lateinischen Messen. Dazu war natürlich die Übersetzung der religiösen Texte in die einzelnen Sprachen erforderlich. Die Bibel wurde von Luther selbst ins Deutsche übersetzt. Die aufblühende Buchdruckerei trug auch zum Verbreiten der protestantischen Lehren bei. Dank der theologischen Debatten wurde das Universitätsleben lebhafter, Wittenberg, Heidelberg und die anderen namhaften protestantischen Universitäten wurden auch zu beliebten Zielen der mitteleuropäischen Peregriner-Studenten.
In Ungarn erschien die Reformation zuerst am Königshof, aber zur Hochburg des Protestantismus wurde Siebenbürgen. Dabei hatten mehrere deutsche Bürger eine bedeutende Rolle, nicht zuletzt wegen ihrer Tätigkeit im Bereich des Buchdrucks. Einer der bedeutendsten unter ihnen war Johannes Honterus, dem die Nachfolgezeit den Titel „Reformator Siebenbürgens“ verlieh. Er wurde in Kronstadt (Brasov) geboren und erwarb den Magistertitel in Wien. Er besuchte auch Regensburg, unterrichtete an der Krakauer Universität, den Buchdruck und die Holzschnitzerei erlernte er in Basel. 1533 kehrte er in seine Heimatstadt zurück, wo er eine Druckerei gründete. Der vielseitige Humanist tat neben seiner Tätigkeit als Reformator viel für die Entwicklung der heimischen Bildung und der Rechtswissenschaft. Er war ein Nachfolger Luthers, selbst der Wittenberger Reformator äußerte sich mit Anerkennung über Honterus‘ Plänen für die Reformierung der Siebenbürgischen Kirche.
Eine ähnliche, wenn nicht größere Rolle in der ungarischen Reformation hatte Kaspar Heltai. Auch er war in vielen Bereichen tätig, vor allem ist er als Druckereibesitzer und Schriftsteller bekannt, aber arbeitete auch als Übersetzer und Pastor. Der sächsischstämmige, deutschsprachige Siebenbürger Reformator lernte die lutherischen Lehren 1510, wahrscheinlich während seines Wittenbergischen Studiums kennen.
1550 gründete er seine Druckerei in Klausenburg (Cluj Napoca), die er in der ersten Zeit zusammen mit Georg Hoffgreff betrieb. Die Druckerei hat eine enorme Bedeutung in der ungarischen Kulturgeschichte, besonders bei der Verbreitung der ungarischen Sprache. Denn im Gegensatz zu Honterus veröffentlichte Heltai nur wenige deutschsprachige Werke. Zu seinen bekanntesten schriftstellerischen Werke gehören die auf die Äsopischen Werke basierenden 100 Fabeln und die Chronik der Heldentaten der Ungarn. Auch er beteiligte sich an der Übersetzung der Bibel, 1569 bekehrte er sich zur antitrinitarischen Konfession. Er starb 1574 in Klausenburg.
Die lutherischen Gedanken erreichten auch die Zipser Sachsen. Ihr bedeutendsten Vermittler war Bartfelder (Bardejov) Leonard Stöckel (1510-1560). Er studierte auch in Wittenberg und war ein Schüler von Luther und Melanchton. Vor allem war er als Lehrer tätig. Nachdem er 1539 nach Bartfeld zurückgekehrt war, erneuerte und modernisierte er die Schule der Stadt. Es gelang ein so hohes Niveau zu erreichen, dass sie später als die „ungarische Wittenberg“ galt. 1546 bekehrten sich fünf oberungarischen Städte (Kaschau /Kosice, Preschau/Presov, Levoca/Leutschau, Bartfeld und Zeben/Sabinov) zum evangelischen Glauben. Ihr Glaubensbekenntnis, die Confessio Pentapolitana wurde von Stöckel nach dem Muster der Augsburger Konfession formuliert.
Obwohl die Reformation auch in der königlichen Ungarn eine Wirkung ausübte, blieben die Ofener und Pester deutsche Gemeinschaften meistens treu zu ihrem katholischen Glauben, die wenige Budaer Protestanten verließen die Stadt nach ihrer türkischen Besetzung 1541. Die Lehren von Luther und Calvin wurden im ganzen Land populär. Der Hof der Habsburger war auch nicht gleichgültig gegenüber den neuen Ideen, aber die Herrscherfamilie blieb immer Anhänger der katholischen Kirche. Teilweise wurden deswegen während den großen Ansiedlungen im 18. Jahrhundert die leer gewordenen Gebiete in erster Linie von Kolonisten aus den katholischen deutschen Gebieten bevölkert. Selbstverständlich werden wir uns damit in den späteren Teilen unserer Reihe näher beschäftigen.
István Mayer