„Gesang und Gebet in der eigenen Muttersprache…”



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Das XXIII. Fest der ungarndeutschen Kirchenmusik, dieses feierliche Ereignis, fand am 13. Juli 2019 in der Kirche der Zisterzienser Abtei Sirtz/Zirc statt. Bei dieser Festveranstaltung waren 27 Chöre, die zu den besten in Ungarn zählen, sowie ein Gastchor aus Österreich vertreten.

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Um das deutsche Kirchenlied zu pflegen und den Gläubigen Mut zu machen, in ihrer eigenen Kirche ebenfalls diese Lieder anzustimmen, wurde dieses Treffen von 28 Kirchenchören veranstaltet, sagte László Szax, der Vorsitzende der Sektion Kirchenmusik des Landesrates der ungarndeutschen Chöre, Kapellen und Tanzgruppen. Mit dabei war auch das Jugendharmonikaauswahlorchester des Landesrates, das direkt aus der Fortbildung in Totwaschon/Tótvázsony angereist war.

Das Fest der ungarndeutschen Kirchenmusik hat der – leider verstobene – Ehrenvorsitzende des Landesrates, Josef Báling, angeregt. Gerade er war es auch, der vor 23 Jahren zum ersten Treffen der Kirchenchöre – noch als Vorsitzender des Landesrates – nach Fünfkirchen eingeladen hatte.

Gegen Mittag füllte sich die katholische Pfarrkirche allmählich mit bunten deutschen Trachten Ungarns. Mehr als 650 Sängerinnen und Sänger strömen aus dem ganzen Land mit Bussen und Kleinwagen herbei.

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Wie es beim Landesrat Brauch ist, wurde eine deutschsprachige heilige Messe abgehalten. Pater Mór Imrefi war der Zelebrant und Prediger des Gottesdienstes, den die Chöre mit ihren Gesängen, das Harmonikaorchester mit seiner Musik und Lukas Motyl aus Österreich mit seinem wunderbaren Orgelspiel bereicherten. Mit den Segenswünschen wurde dann das Konzert eröffnet. Der Hochwürdige Herr ließ es sich nicht nehmen, das ganze Konzert mit Freuden anzuhören. Der von Sonnenlicht bestrahlte Kirchenraum füllte sich nicht nur mit harmonischen Klängen, sondern auch mit dazu nötiger seelischer Stimmung, die Wärme und Zuversicht ausstrahlte, lebendigem Glauben und gelebter Tradition. Man steht zur nationalen Identität, singt inbrünstig den ungarischen Hymnus und trotzdem gehört man dem ungarndeutschen Kulturraum an. Eines schließt das andere nicht aus. Dieser Kulturraum wird nicht nur von den bunten Trachten, den deutschen Bildstöcken und Dreifaltigkeitssäulen geprägt, sondern auch durch die jahrhundertalten Lieder, die auch nach den beiden Weltkriegen, nach Flucht, Vertreibung und kommunistischem Atheismus nicht verklungen sind. Es klingt fast wie ein Wunder, dass ein solches Kulturgut aus eigener Kraft sich auch zum Beginn des 21. Jahrhunderts entfalten kann. Irgendwo in der Seele dieser Menschen gibt es noch diese donauschwäbischen Kirchenlieder.

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Die Chöre gaben ihr Bestes. Man konnte mit Erstaunen feststellen, wie gut manche zwei- oder vierstimmig gesungene Lieder in der Kirche mit herausragender Akustik klingen. Dass ein Treffen dieser Art auch dem kulturellen Leben der Ungarndeutschen neue Impulse geben könne, meinten auch die Leiter der örtlichen Institutionen. Die Chöre in den verschiedenen Komitaten würden ihr Interesse erst seit einigen Jahren auch dem Kirchenlied widmen und so sei jeder neue Impuls herzlich willkommen, auch wenn inzwischen sehr gute Fortschritte erzielt worden seien. Aus organisatorischen Gründen mussten die Chöre in vier Gruppen eingeteilt werden, die dann gemeinsam das Programm sangen.

Als erste traten die zweistimmigen Chöre aus Marka/Márkó, Wieselburg-Ungarisch-Altenburg/Mosonmagyaróvár, Gahling/Máriakálnok, Raab/Győr, Krottendorf/Békásmegyer, Haschad-Jitjankut/Hárskút, Eßtergart/Nagyesztergár, Berkina/Berkenye und Deutschtewel/Nagytevel auf. Ihr Programm war: „Segne du Maria“ – ein Marienlied, das insbesondere in Süddeutschland und Österreich sich großer Beliebtheit erfreut -, dirigiert von Ilona Marquetant-Wagner. Lajos Holczinger dirigierte darauf das Lied „Ave Maria klare“ (Tonau, 1839). „Maria, Unschuldskrone“ (Sankt Iwan) dirigiert von Klára Karsai war das nächste Lied bevor Hajnalka Pfeifer-Takács als Abschluss dieses ersten Blocks das Lied „Dich, o Jesus will ich lieben“ (Detta 1932) dirigierte.
Bereits diese erste Chordarbietung ließ die zahlreichen Zuhörer aufhorchen, da diese traditionellen donauschwäbischen Kirchenlieder zweistimmig vorgetragen wurden. Die Lieder, die erklangen, waren allen Teilnehmern teilweise bekannt: Sie werden sowohl in Ungarn sowie im Banat als auch in der Batschka oder in Deutschland und Österreich heute noch gesungen.

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Darauf traten die Frauenchöre aus dem österreichischen Guntramsdorf, dem XVlll. Bezirk von Budapest, Wieselburg-Ungarisch-Altenburg/Mosonmagyaróvár, Haschad-Jitjankut/Hárskút und Taks/Taksony auf. In ihrem Programm hatten sie folgende Lieder: „Die Sach ist dein“ von J. Haydn, dirigiert von Hajnalka Pfeifer-Takács, sowie „Von Gott will ich nicht lassen“ von H.Schütz und das „Terzetto“ von F. Mendelssohn, beide dirigiert von Krisztina Kovács-Fódi.
Im dritten Block hörten wir die Chöre aus Totwaschon/Tótvázsony, Urkut/Úrkút, Rendek/Ajkarendek, Hanselbek/Érd, Großmanok/Nagymányok, Ugod, Mesch/Mözs, Tamaschi/Tamási und Wesprim/Veszprém. Sie sangen für uns: „Freu dich, du Himmelskönigin“, dirigiert von Anna Stiblo, „Sei gegrüßt, o Jungfrau rein“ (Metzidorf, 1900) und „Maria, breit den Mantel aus“, beide dirigiert von Éva Herger.

Vor allem im südeuropäischen Raum und ganz besonders in Bayern hat die „Schutzmantel Madonna“ bis heute hohe Popularität behalten. Schon im 13. Jahrhundert wurde das Motiv vom Zisterzienser und Dominikaner verbreitet. Dieses Lied, das in einem 4-Lieder-Druck von 1640 überliefert worden war, wurde aber erst im 19 Jahrhundert wiederentdeckt. Das aus 29 Strophen bestehende Originaltextmaterial erfuhr mit dem Wiederentdecker Drewes (1885) und Josef Mohr (1891) und zuletzt 1971 gewisse Bearbeitungen; dies führte zur heute allgemein gesungenen vierstrophigen Fassung. Als letztes in diesem Block erklang das Lied „Maria, sei von uns gegrüßt“ (Wien, 1817) Dirigentin war Erzsébet Fertig.

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Die große Chorvereinigung mit über 160 Sängerinnen und Sängern trug diese Lieder zweistimmig vor, doch durch die Verdoppelung der einzelnen Stimmen durch die Frauen- und Männerstimmen, wurde ein Orgelklang erzeugt. Obzwar viele dieser Teilnehmer der deutschen Sprache nicht mächtig sind, haben sie mit ihrem musikalischen Talent zum Gelingen dieses Chorfestes beigetragen. Dieses Fest war durch die vielen Sonntagstrachten ein Fest für die Ohren und die Augen. Auch die traditionell hoch geschätzte ungarische Gesangschule (z. B. die Kodály-Methode) steuerte ihren Beitrag dazu bei. Phrasierungen und dynamische Steigerungen belebten den Chorgesang und machten aus den einfachen und schlichten Liedern einen wahren Kunstgenuss.

Im vierten Teil des Konzertes traten die mehrstimmigen Chöre aus Herend, Werischwar/Pilisvörösvár, Kroisbach/Fertőrákos, Sepetnek/Szepetnek, Sanktiwan bei Ofen/Pilisszentiván, Hartau/Harta, Taks/Taksony sowie der gemischte Chor und der Kirchenchor aus Waschludt/Városlőd auf. Das erste Lied „Wenn ich ein Glöcklein wär“, dirigiert von Hajnalka Pfeifer-Takács, zählt zu den bekanntesten von F. Xaver Engelhart (Priester, Komponist und Domkapellmeister am Regensburger Dom, 1861-1924) komponierten Liedern. Das von W. A. Mozart komponierte „Ave verum corpus“ wurde von Krisztina Kollonay dirigiert. Die Motette in D-Dur von Wolfgang Amadeus Mozart ist für vierstimmige gemischte Chöre, Streicher und Orgel. Diese ist die berühmteste Vertonung des mittelalterlichen Hymnus „Ave verum” und trotz ihrer Kürze (46 Takte) eines der bekanntesten Werke Mozarts. Darauf folgte das Werk von M. Bühler „Herr segne mich“, dirigiert von Mihály Kéry.

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János Sebestyén brachte uns zum Abschluss des vierstimmigen Blocks „Jesus bleibet meine Freude“, einer der bekanntesten Choralbearbeitungen von J. S. Bach, zu Gehör.

Die Pausen während des Abganges und des Auftrittes der Chöre wurde mit Harmonikaspiel unter der Leitung von David Solymosi überbrückt.
Nach der Ansprache des Landesratsvorsitzenden László Kreisz ergriff der Leiter der Sektion Kirchenmusik László Szax, der für dieses Festprogramm verantwortlich war, das Wort. Er sprach davon, dass nicht die Idee vordergründig sei, sondern der Erfolg in dem Einsatz und der selbstlosen Arbeit aller Chorleiter und -mitglieder liege, die bereit gewesen seien, sich den Gedanken eigen zu machen. Darauf erhielten alle auftretenden Chöre und Ensembles und die Teilnehmer der Singwoche eine Urkunde, geschmückt mit einem Engel – in Handarbeit von unserer Büroleiterin Zsuzsanna Ledényi angefertigt – als Anerkennung für ihre Leistung und als Erinnerung an dieses Kirchenmusikfest und an die Singwoche überreicht. Besonders geehrt wurden die Chöre von Sanktiwan und Urkut für ihr 45-jähriges Bestehen.

„Gesang und Gebet in der eigenen Muttersprache… Es sei auch sonst nützlich, immer etwas für das deutsche Kirchenlied zu tun. Die ungarische Kirche brauche doch immer wieder mal Impulse, um in diesem Bereich etwas mehr zu tun oder zuzulassen. Welche Aktivitäten, wenn nicht solche Treffen, könnten sonst dazu beitragen. Der Landesrat werde auch zukünftig alles unternehmen, um jenen Ungarndeutschen zu helfen, die Noten, Fortbildungen oder Ermunterungen bräuchten. Auch die Treffen sollten weitergeführt werden, allerdings sei nicht die immer größere Zahl der Teilnehmer wichtig, sondern auch die Einbeziehung des Publikums vor Ort“, meinte László Szax abschließend.

Zuletzt folgte ein gemeinsames Singen aller Chöre. Auf dem Programm stand das Werk „Großer Gott, wir loben Dich” dirigiert vom Ehrenvorsitzenden der Kirchenmusiksektion Franz Neubrandt und begleitet auf der Orgel von Lukas Motyl. Der große ambrosianische Lobgesang „Te Deum laudamus” findet im Lied seine heute international und überkonfessionell weit bekannte volkssprachliche und melodische Fassung. Den deutschen Text verfasste Ignaz Franz 1771 nach dem lateinischen Original das 4. Jahrhunderts. 1776 stand das Lied im Gesangsbuch von Maria Theresia.

Diese wunderbaren Darbietungen, die wieder einmal die hohe Qualität unserer Singgruppen widerspiegelte, zeigten die Entwicklung der ungarndeutschen Chöre bezüglich fachlichen Wissens und des Repertoires. Zu verdanken ist dies nicht zuletzt auch Franz Neubrandt aus Sanktiwan bei Ofen, der in seiner Gemeinde bereits seit 1956 als Kantor tätig ist, seitdem er auch ungarndeutsche Kirchenlieder sammelt, sie herausgibt und eigens welche komponiert. Er war innerhalb des Landesrates Leiter des Ausschusses für Kirchenmusik, ist Ehrenvorsitzender der Sektion Kirchenmusik, und er war (wenn auch im Hintergrund) für das gute Gelingen des jetzigen Festes ebenfalls mitverantwortlich. Für seinen Nachfolger, László Szax, war es wieder eine Herausforderung, dem Niveau entsprechendes Treffen zu organisieren, und alle meinten, er habe sie gut bestanden.

Die vielen Proben, der selbstlose Einsatz aller haben sich gelohnt. Das XXIII. Fest der ungarndeutschen Kirchenmusik war ein außergewöhnlicher Genuss bzw. ein geistiges Erlebnis für sämtliche Teilnehmer und das Publikum und ein geistiges Erlebnis von höchstem Niveau. Diese edle Tradition verdient eine Fortsetzung, die in Zukunft gewiss noch zu zahlreichen neuen Höhepunkten in der Pflege des ungarndeutschen Kirchengesangs führen wird. Das Repertoire dieses Treffens wurde aufgezeichnet, aus dem Material soll eine CD entstehen.

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Der Landesrat bedankt sich bei der Botschafterin der Republik Österreich Elisabeth Ellison-Kramer, dass sie die Schirmherrschaft der Veranstaltung, wie auch im vergangenen Jahr, übernommen hat.
Großer Dank geht auch an Hajnalka Pfeifer-Takács sowie die Kirchenmusiksektion: Ohne deren tatkräftige Mitarbeit hätte dieses Fest nicht zustande kommen können.
Die Sponsoren der Veranstaltung waren: Ministerpräsidentenamt -Staatssekretariat für die Beziehungen zu den Kirchen und zu den Nationalitäten, Fondsverwalter Gábor Bethlen (NEMZ-KUL-19-0206), Bundesministerium des Innern, Landesselbstverwaltung der Ungarndeutschen.

Manfred Mayrhofer/LandesratForum

Textauszüge von Dr. F. Metz

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