Junior Prima-Preisträger erforscht ungarndeutsche Themen




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In diesem Jahr wurde der Junior Prima Preis am 4. November in Budapest übergeben. In der Kategorie Volkskunst und öffentliche Bildung erhielt auch Bence Kovács, Volkskundeforscher und Museologe, den Preis. Zurzeit belegt er sein Master-Studium Volkskunde an der philologischen Fakultät der ELTE, nebenbei arbeitet er bereits im Haus der Traditionen. Als Forschungsgebiet wählte er die Glaubenswelt der Tolnauer Schwaben, diesbezüglich hat er im Oktober des vorigen Jahres im HdU über die Geschichte des sog. Wertzwisches zu Mariä Himmelfahrt und über die sich daran knüpfenden Bräuche in Berin gesprochen.
Anlässlich des Preises haben wir mit ihm ein Interview geführt.

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Für welche Tätigkeit hast du den Junior Prima Preis bekommen?

Bence Kovács: Den Preis erhielt ich in erster Linie für meine museologische Leistung und für meinen Beitrag in der öffentlichen Bildung. Die Nominierung für den Preis geschieht durch Nominierung, so habe ich mich nicht selber beworben. Empfehlung habe ich vom Volkskunde Institut der ELTE, sowie von mehreren Volkskünstlern und Folklorevereinen erhalten, denen ich als Museologe viel geholfen habe. Dazu muss man wissen, dass ich im Museum der Ungarischen Ethnischen Kunstgewerbe im Haus der Traditionen als Museologe tätig bin, so kann ich Volkskünstlern, die mich aufsuchen, viel helfen.

Wie fördert der Preis deine fachliche Tätigkeit? Wofür hältst du den Preis wichtig?

B.K.: Aus meinem Standpunkt ist der Preis ein wichtiger Meilenstein in meinem beruflichen Werdegang. Dies offenbart sich nicht nur in den zig Gratulationen, sondern auch in meiner fachlichen Beurteilung. Das ist in meiner Lage deswegen besonders wesentlich, weil ich mich bald für ein Doktorstudium bewerbe.
Ich halte mich nicht für einen Menschen, der aufs Geld bedacht ist, aber meiner Meinung nach ist der Preis auch deswegen wichtig, weil er neben der hochrangiger fachlicher Anerkennung mit einer Geldprämie verbunden ist, die eine große Hilfe für einen Berufsanfänger bedeutet. Diese Summe bietet ein solches Grundkapital für Humanexperten, die nicht nur ihr Bleiben in dem Bereich sichert, sondern das sie auch ihre erste Arbeit veröffentlichen können, oder ihre Existenz während den ersten Jahren sichern können. Wie ich schon früher erwähnt habe, ist diese Auszeichnung eine riesige fachliche Anerkennung, die nicht nur wegen des fachlichen Werdegangs bedeutsam ist, sondern auch menschlich, weil es ein gutes Gefühl ist, dass auch mehrere Menschen an mich als begabten Museologen gedacht haben und mehrere der Meinung waren, dass ich mit meiner fachlichen Aktivität den Preis verdiene.

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Warum hast du Geschichte-Volkskunde als Fach gewählt?

B.K.: Ich gestehe, dass ich als Kind Archäologe, später Geschichtslehrer sein wollte. Deswegen habe ich mich für Geschichte als Hauptfach sowie Volkskunde als Nebenfach an der ELTE beworben, ohne Zweifel an die Veranlassung meiner Mutter, Eva Ament, die Möbelmalerin-Restauratorin ist.

Warum haben sie die Glaubenswelt der Tolnauer Schwaben als Forschungsgebiet gewählt? Seit wann interssiert Sie dieses Thema? Wofür interessieren Sie sich insbesonders in diesem Thema?

B.K.: Seit dem ich auf die Besonderheit des Themas gekommen bin, beschäftige ich mich mit der Glaubenswelt der Ungarndeutschen. In dieser Erkenntnis spielt Dr. Dániel Bárth Universitätsdozent des Folklore Lehrstuhls der ELTE eine große Rolle, der in einem seiner Seminare mich ermutigte, dass ich mich mit dem Thema befasse. So geschah es auch und ich schrieb eine Arbeit, die sich mit dem Blumenweihen zu Mariä Himmelfahrt beschäftigt, das einer meiner Lieblingsthemen bis heute ist. Dr. Kata Zsófia Vincze und Dr. János Bali, beide unterrichten ebenfalls an diesem Lehrstuhl, haben mich angespornt, die Identitäsforschung der Ungarndeutschen zu behandeln. Als ich mich mit dem Thema  weiter auseinandersetzte, bin ich draufgekommen, wie viel ich als Kind von meiner Großmutter spielerisch lernte (Beschwörungsformeln, archaische Gebete). Nebenbei bemerkte ich, wie viel ich noch nicht weiß, das großen Wissensdurst in mir weckte. Deswegen bin ich jetzt, während ich meine Diplomarbeit verfasse, so glücklich, da ich jede Minute der Arbeit genieße und kaum darauf warten kann, mich damit zu beschäftigen. Vielleicht ist es nicht erstaunlich, wenn ich sage, in meiner Diplomarbeit bearbeite ich den Volksglaube der Ungarndeutschen, genauer gesagt die Sibylle-Wahrsagungen. Anlässlich des Themas kann ich mich nicht nur deswegen glücklich schätzen, weil das Thema nah an meinem Herzen liegt, sondern auch weil meine Großmutter, Katharina Ament geb. Binder, sowie die Seele der Hajoscher Volkskundeforschung, Mária Schőn neben Dr. Bernadett Schmid, die meine Konsulentin ist, behilflich sind.

Was ist deiner Meinung nach der Schlüssel zur Bewahrung der ungarndeutschen Identität? Wie könnte man die Jugendlichen einbeziehen?

B.K.: Schwierige Frage. Derzeit kann ich sagen, dass ich mich am meisten darum Sorgen mache, dass die Sprach, sie wir sprechen, verloren geht. Die Dialekte in Ungarn sind so vielfältig, dass es praktisch unmöglich ist, alle zu bewahren, trotzdem können wir nicht dabei zusehen, wie sie verschwinden. Ich habe Angst, dass die Mundarten der kleinen, mit der Arbeitslosigkeit kämpfenden Dörfer verloren gehen, im besten Fall auf den Blättern der Bücher bestehen, im schlimmsten Fall nicht einmal dort.
Zurzeit würde ich aus der Sicht der Jugendlichen als wesentliche Antriebskraft sehen, wenn es eine ungarndeutsche Sprachprüfung geben würde. Dies würde keinen Ausschlupf vom Hochdeutschen bedeuten, aber die Sammlung eines frei gewählten Dialekts könnte Teil der Prüfung sein sein. Das würde nicht nur ergeben, dass mehrere Mundarten erhalten bleiben würden, sondern auch dass die Jugendlichen diese kennen würden und während der Sammlung mehr mit jenen Alten sprechen würden, die möglicherweise die bedeutsamsten Vertreter der ungarndeutschen Kultur sind.
Hier würde ich zu einer anderen wichtigen Sache wechseln, zu der Beziehung zwischen den Generationen. Anlässlich der Vertreibung machte sich dieses Jahr der Wanderbündel auf den weg. Meiner Meinung nach ist das eine ausgezeichnete Idee, so kann man die Jugendlichen wirklich angeln (erreichen). Es gibt sicherlich ein solches Thema, mit dem man sie ansprechen kann und im Rahmen der modernen Welt, die Traditionen dennoch nicht vergessend könnten sie sich mir ihrer eigenen Volksgruppe befassen.

Gibt es noch Neuigkeiten heute in der Volkskunde der Ungarndeutschen, die noch entdeckt werden können?

B.K.: Natürlich gibt es immer und wird es auch immer geben. In erster Linie denke ich, dass in der ungarndeutschen Volkskunde noch kein großes, einheitliches Nachschlagewerk erschienen ist. Vor kurzem wurde Gerhard Seewanns übergreifende Arbeit über die Geschichte der Ungarndeutschen veröffentlicht. Meiner Ansicht nach wäre etwas ähnliches auch bei der ungarndeutschen Volkskunde notwendig.
Über das vorherige Thema hinausgehend denke ich, dass es ein großes Problem der  ethnischen Volkskundeforschung ist, dass in den meisten Fällen in deutscher Sprache publiziert wurde. Damit bestimmt sie die Zielgruppe vor. Ich gestehe, dass der Problemaufwurf nicht meine Idee ist. In einer meiner Seminare an der Universität warf ein Kommilitone von mir die Frage auf, ob die Werke irgendwo in ungarischer Sprache erreichbar sind und ich musste antworten, nein. Mir hat das Lesen deutscher Fachtexte kein Problem bereitet, so habe ich über diese Problem nicht nachgedacht. Zum Glück erscheinen heute immer mehr bilinguale Publikationen, in der Volkskunde der Nationalität ist das die Zukunft. Die Studie/das Buch muss sowohl Deutsch als auch Ungarisch herausgegeben werden.
Eng auf die Frage antwortend, meine ich, dass die Bearbeitung der dialektologischen Fragen auf einem ausgezeichneten Weg vorankommt, in folkloristischen Fragen würde ich aber gerne mehr über die Aberglaubekreaturen, die Arbeiterfolklore oder gerade bäuerliche Schriftlichkeit. Mit diesen Themen setzten sich mehrere Fallstudien auseinander und ich hoffe, mehrere werden sich noch damit befassen. Ich könnte kein Thema sagen, hinter ein Forscher nicht nachging. Weil es bislang grundsätzlich Tiefgrabungen in diesen Themen gab, sporne ich alle zu weiteren Forschungen an.

Kovács Bence az ún. Wertzwischről tartott előadást  2015. október 26-án a Zentrum rendezvényén, mellette nagymamája Ament Józsefné

Wie forscht ein Volkskundeforscher?

B.K.: Im klassischen Sinne geht er auf’s “Feld”, also sucht er sich eine solche Siedlung oder Siedlungen, wo er für einen längeren Absprung oder mehrere kürzere Absprünge ein Interview macht, fotografiert, aus denen er später eine wissenschaftliche Arbeit verfasst. Heutzutage ist aber die Forschungspalette wesentlich breiter.
Aber was unbedingt gemeinsam in der Volkskundewissenschaft ist, das man sich für irgendein Segment des menschlichen Lebens interessiert, soll die Person 300 oder 30 Jahre alt sein.
Aus meiner Sicht kann ich jedem einen solchen Beruf wünschen, wie ich einen habe: als Museologe und Forscher beschäftige ich mich gleicherweise was ich mag, man könnte sagen, meine Arbeit ist mein Hobby.

Gibt es andere Kulturkreise außer der ungarisch-deutschen die dich interessieren? Gibt es Parallele zwischen ihnen?

B.K.: Die frühmittelalterlichen nordischen Quellen mag ich sehr, wobei es natürlich Überschneidungen mit meinem Thema gibt. Nebenbei interessiert mich ausgesprochen die Geschichte MIttel- und Lateinamerikas im 20. Jahrhundert, die Dr. Ágnes Judit Szilágyi vom Lehrstuhl für Universalgeschichte in der Neuzeit und der Gegenwart an der ELTE bei mir beliebt gemacht hat. Ganz gewiss gibt es beim letzteren Thema ebenfalls Überlappungen zu meinem, denken wir nur an die Annuntiatinnen/Annonciades – Dienerinnen der Mariä Verkündigung/Verkündigung des Herrn -, bzw. an diejenigen Schwaben aus Hedjeß, die in die Vereinigten Staaten von Amerika emigrierten oder in Kuba beim Eisenbahnbau arbeiteten.

Was sind deine Zukunftspläne?

Wenn alles klappt, möchte ich mich ab September 2017 für das Doktorstudium bewerben. Aus Forschungssicht möchte ich mich auf jeden Fall breiter mit dem Kunstgewerbe der Ungarndeutschen, sowie mit der Blumenweihe der Mariä Himmelsfahrt der Deutschen in Berin und Hedjeß und den Aberglaubekreaturen der Ungarndeutschen beschäftigen. Über vieles möchte ich noch schreiben.

Hast du ein Vorbild im Fach? Warum ist diese Person ein Vorbild für dich?

Ich sehe auf viele Menschen auf und könnte mehrere Namen aufzählen, die unumstritten vieles für die Bewahrung und Dokumentierung der ungarndeutschen Kultur getan haben und tun, aber der Name, der mir als erstes einfiel ist Mária Schőn. Sie ist die demütigste gegenüber ihr Thema unter den von mir bekannten Volkskundlern. Bisher hat sie ein riesiges Material gesammelt und trotz der großen Zahl ihrer Arbeiten kann sie vieles uns übergeben. Ihre Arbeit ist immer präzis, ihre Quellenangaben sind zweisprachig und verewigen immer auch den Dialekt, sowie werden auch in ungarischer Sprache publiziert, so das vorhin erwähnte Problem vermeidend. Mária Schőn ist eine echte Forscherin und ich denke, dass sie die Sammlungsmöglichkeiten maximal ausnutzt. Sie behält ihre Ansammlungen nicht für sich selbst, hilft gerne auch anderen Forschern auch dann, wenn sie denjenigen Interviews, Text noch nicht veröffentlicht hat. Meiner Meinung nach stellt sie die Angelegenheit der ungarndeutschen Volkskundewissenschaft vor ihre eigene Person. Respektableres kann man von einer Volkskundlerin nicht sagen.

Wir gratulieren zu der Auszeichnung und wünschen viel Erfolg für die Zukunft.

Helga Blandl

(Foto auf der Titelseite: Docler Holding Budapest)

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