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„Österreich ist frei” – Österreichtag 60 Jahre nach dem Staatsvertrag

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Jeden Oktober seit 2011 veranstalten das Österreichische Kulturforum (ÖKF) und der Bund Ungarndeutscher Schulvereine (BUSCH) den Österreichtag, an dem neben historischen und kulturellen Vorträgen die Gäste auch von den Neuigkeiten im Bereich des ungarndeutschen Nationalitätenunterrichts hören können. Dieses Jahr fand die Veranstaltung am 9. Oktober unter dem Motto „15. Mai 1955 – Österreich ist frei” statt.

Nach den Begrüßungsworten von Dr. Susanne Bachfischer, der Direktorin des ÖKF Budapest gaben die beiden Moderatoren, Robert Wild (BUSCH) und Dr. Heinz Bernart (Austria Literatur) das Programm bekannt.

Als erste Mitwirkenden stellten die Schüler der Budapester Österreichisch-Ungarischer Europaschule ihre Gedanken bezüglich des Begriffs Freiheit dar. In ihrer Präsentation wurde Österreichs Weg zur Unabhängigkeit skizziert, danach zogen sie Parallele zwischen diesem und den ungarischen Ereignissen des Herbsts 1956.

Im darauf folgenden Vortrag von Christian Mertens, Mitarbeiter der Wienbibliothek wurden die Umstände des Staatsvertrags 1955 im internationalen Kontext untersucht. Zuerst wurde am Leinwand das zur Ikone gewordene Foto von Erich Lessing gezeigt, auf dem der damalige österreichische Außenminister Leopold Figl den vor kurzem unterschriebenen Staatsvertrag bei Anwesenheit der Vertreter der alliierten Besatzungsmächte der vor dem Schloss Belvedere stehenden Menschenmenge vorzeigt. Die legendären Worte „Österreich ist frei” ertönten im Gegensatz zur allgemeinen Meinung nicht auf dem Balkon, sondern bereits im Saal. Mertens stellte die österreichische Geschichte vom Kriegsende bis zum Staatsvertrag vor. Die Beurteilung des Landes war nach der deutschen Kapitulation nicht einheitlich: es wurde als Opfer vom NS-Deutschland behandelt, jedoch von den Alliierten besetzt. Österreich und Wien wurden ähnlich wie Deutschland und Berlin in vier Zonen aufgeteilt. Verschiedene Konzeptionen wurden über die mögliche Zukunft des Landes erarbeitet, unter ihnen auch die ständige Vierteilung sowie die Ost- und Westvarianten, das heißt, das Österreich entweder zu dem Verbündeten der Sowjetunion oder dem der Westmächte wird. Die Verhandlungen nahmen viel Zeit in Anspruch. Eine der problematischen Fragen bezog sich auf das Schicksal des früher von Deutschland in Besitz genommene Industriezweigen, zum Beispiel was mit der von den Sowjets enteigneten Erdölabbau geschehen sollte. Auch die Verzögerungstaktik der Sowjetunion verlängerte den Prozess. Nach dem westdeutschen Eintritt ins NATO im Jahre 1954 beschleunigten sich die Ereignisse. Letztendlich wurde für die Einheit und die Neutralität Österreichs entschieden. Am 15. Mai 1955 wurde der Staatsvertrag unterzeichnet, am 29. Oktober wurde die Neutralität auch im Verfassungsgesetz festgesetzt. Es ist wichtig zu betonen, dass es sich dabei nie um eine ideologische, sondern nur um eine militärische Neutralität handelte. Die ungarische Revolution von 1956 war eine wahre Bewährungsprobe für Österreich, da sowjetische Truppen an seiner Grenze eingesetzt wurden. Am 29. Oktober forderte die neue ungarische Regierung auch einen dem österreichischen ähnelnden Status. Nach dem Niederschlag des Freiheitskampfes flüchteten um die 200 000 Ungarn nach Österreich, von denen 70 000 auch im Land geblieben sind. Es wurde sogar eine Briefmarke für die Ungarnhilfe herausgegeben.

Dr. Nina Linke, Mitarbeiterin der Wienbibliothek schilderte das Alltagsleben der Österreicher in den 50er Jahren anhand von Plakaten aus der reichen Sammlung der Bibliothek. An die 50er Jahre wird heute oft als die Zeit der Amerikanisierung gedacht. Das trifft aber vor allem dem Ende der Epoche zu, als Österreich die Kriegsschäden schon hinter sich hatte. Bis 1953 mussten die Lebensmittel rationiert werden, auch später betonten die Werbungen die Möglichkeit zur Teilzahlung (auch bei Kleidungsstücken!), denn die Gehalte damals ziemlich niedrig waren. Mehrere der gezeigten Plakate popularisierten das Projekt „Soziale Wohnkultur”, in dessen Rahmen die österreichischen Wohnungen mit modernen, praktischen Möbeln ausgestattet werden sollten. Das Ideal der Epoche war die Hausfrau, die sich enorm über die neuen Haushaltsgeräten freut. Zu Weihnachten wurden auch vor allem praktische Geschenke, wie zum Beispiel Kühlschränke oder gar Schuhe empfohlen. Der Fremdenverkehr wurde Ende des Jahrzehnts auch intensiver, aber ein Skiurlaub in den Alpen konnten nur noch wenige sich leisten.

Der Österreichische Buchklub wurde von zwei Deutschlehrerinnen des Lesekompetenzzentrums Stuhlweißenburg/Székesfehérvár, Emília Dobos und Beáta Pakodi vorgestellt. Die Mitgliedsinstitutionen des Klubs erhalten für eine niedrige Jahresgebühr dessen gesamtes Jahresangebot, zu dem vor allem die Deutschlernen fordernden Bücher und Zeitschriften gehören. Das Motto des Klubs lautet „Alles fürs Lesen”, in diesem Sinne ist er bestrebt das Lesen den Schulkindern beliebt zu machen, Materialien für die PädagogInnen vorzubereiten und die Eltern auf ihre entscheidende Rolle darin bewusst zu machen, dass ihr Kind ein Leser wird. Im Lesekompetenzzentrum wurden mehrere Schulprojekte mit Hilfe der Materialien des Buchklubs durchgeführt, die Ergebnisse sind imposant.

Als letzte Referentin berichtete Dr. Adelheid Manz, Lehrstuhlleiterin an der József-Eötvös-Hochschule Baja über die Neuigkeiten von der Bildungsplattform Baja. Das wichtigste Ziel der Plattform ist, solche NationalitätenlehrerInnen auszubilden, die nicht nur Deutsch als Fremdsprache, sondern auch andere Fächer in Deutsch unterrichten können. Das Pilotprojekt startete 2013. An der József-Eötvös-Hochschule, an das Zentrum der Bildungsplattform, werden ab 2014 auch sogenannte VolksschullehrerInnen und KindergärtnerInnen in deutscher Sprache ausgebildet, sogar für ein staatlich finanziertes Fernstudium gibt es Möglichkeit. Auch BUSCH und die Österreichische Landsmannschaft sind unter den Förderern der Bestrebungen.

Zum Ausklang der Veranstaltung wurde der Geist der 50er Jahre mit feurigen Rock and Roll-Melodien heraufbeschwört.

István Mayer

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