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Interview mit Viktória Muka

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„Es ist wichtig erklären zu können, was es bedeutet,
ungarndeutsch zu sein“

Viktória Muka (Foto) studiert Germanistik an der Eötvös-Loránd-Universität in Budapest und schreibt ihre BA-Diplomarbeit mit dem Titel „Die vergleichende Untersuchung des Sankt-Johanner Kodex“ unter der Leitung von Prof. Dr. Karl Manherz und Dr. Maria Erb. Sie wurde in Budapest geboren, ihre Familie stammt aus Wudersch. Neben der Universität ist sie Mitglied des Germanistischen Seminars am Eötvös-József-Collegium, beschäftigt sich mit mittelalterlichen deutschsprachigen Handschriften, und spielt in der Wuderscher Passion mit.

Liebe Viktória, Sie sind gerade aus Deutschland zurückgekehrt. Was haben Sie dort gemacht?

Ich habe mit einem DAAD-Stipendium ein Semester an der Ludwig-Maximilians-Universität in München verbracht. Ich hatte da viele Lehrveranstaltungen, die an meiner Heimatuniversität nicht angeboten werden, und die Stadt war auch sehr schön, es hat mir wirklich Spaß gemacht. Jetzt arbeite ich gerade an meiner BA-Diplomarbeit.

Könnten Sie über Ihre Diplomarbeit erzählen?

Weil ich mich seit drei Jahren mit Paläographie beschäftige, wollte ich in meiner Abschlussarbeit auch einen Kodex analysieren, nämlich den Sankt-Johanner Kodex aus Zanegg/Mosonszolnok. Es ist eine Handschrift aus dem  Jahr 1808 und wurde von zwei ungarndeutschen Bauern vom Heideboden geschrieben. Sie hatten zwei gedruckte Bücher als Vorlage gehabt und kopiert, das waren der Geistliche Glückshafen von Jacob Bohr und die Sonntagsevangelia von Nikolaus Hermann. Ich analysiere diese Handschriften und gehe dabei besonders auf die dialektalen Unterschiede zwischen den Originaltexten und den Kopien ein.

Was sind die Schwerpunkte der Arbeit?

Ich stelle die Bauernkodex-Literatur am Heideboden vor und beschreibe die Entstehungsumstände der Handschrift. Die Kultur und Geschichte der Ungarndeutschen am Heideboden werden auch erläutert, und kurz schreibe ich auch über Remig Sztachovics, einen Mönch aus Martinsberg, der diese Handschriften gesammelt hat. Sein Nachlass ist in Martinsberg zu sehen, und darüber wurde 1941 auch eine Dissertation verfasst, die ich noch untersuchen und als Quelle benutzen möchte. Meine Arbeit wird eine Interpretation dieser Handschrift sein.

Sie sind Mitglied des Eötvös-Collegiums. Haben Sie da entsprechende Kurse?

Ja, ich arbeite jetzt seit drei Jahren mit der Österreichischen Akademie der Wissenschaften zusammen, weil uns das in einem Seminar seitens des Collegiums ermöglicht wurde. Deshalb beschäftige ich mich mit neun mittelalterlichen deutschsprachigen Handschriften, die sich in österreichischen Klöstern und Abteien befinden.

Wieso haben Sie sich für Deutsch als Minderheitenfach entschieden?

Die Fachrichtung habe ich deshalb gewählt, weil ich etwas machen wollte, was nicht viele machen, und die Kultur und Sprache der Ungarndeutschen haben mich schon immer interessiert. Ich halte es für wichtig, dass unsere Kultur bewahrt wird, und wichtig ist auch, dass die jungen Leute, die ungarndeutscher Abstammung sind, die eigene Sprache und Kultur kennen lernen und dass sie erklären können, was es bedeutet, ungarndeutsch zu sein.

Und was bedeutet es für Sie persönlich?

Ja, also es ist interessant. Als ich und mein Bruder noch klein waren, haben wir überhaupt nicht gewusst, dass wir Ungarndeutsche sind. Als ich in Wudersch die Grundschule besucht habe, 2006, wurden da nach langer Pause die ersten Passionsspiele abgehalten, wo ich als Laiendarsteller mitgespielt habe. Ich habe mich danach mit meiner Oma viel darüber unterhalten und glaube, dass es mir damals in der Oberstufe der Grundschule bewusst geworden ist, dass auch ich selbst Ungarndeutsche bin.

Haben Sie auch später in den Passionsspielen mitgemacht?

Ja, danach war ich einmal als Tänzerin dabei, damals hatte ich die Rolle der Martha, das war die Schwester von Lazarus. Wir hatten auch eine Jugendvorstellung, wo ich die heilige Maria gespielt habe. Ich bin seitdem oft dabei und mache es gern, viele meiner Bekannten und Verwandten machen da mit. Wir haben eine internationale Organisation, EuroPassion, da ist Wudersch auch dabei, wir fahren oft nach Deutschland und treffen uns da mit anderen Gruppen, die auch Passion spielen.

Was sind Ihre Pläne für die Zukunft? Möchten Sie ein Masterstudium an der ELTE machen?

Nein, ich habe andere Pläne. Vor drei Jahren habe ich mich bewusst für das Eötvös-Collegium beworben, denn ich wollte unbedingt die dort angebotenen Kurse besuchen. Es war eine sehr gute Entscheidung, denn ich konnte verschiedene Bereiche der Germanistik kennen lernen. Seitdem weiß ich, dass ich mich mit Paläographie beschäftigen möchte. Ich werde mich für ein Studium in Historischen Hilfswissenschaften oder Germanistik an der Uni Wien und auch für ein Studium an der Andrássy-Uni für die Fachrichtung Kulturdiplomatie bewerben. Vielleicht ist es nicht unmöglich, an zwei Universitäten gleichzeitig zu studieren.

Vielen Dank für das Gespräch!

Gabriella Sós
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