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Einer Minderheit, so auch den Ungarndeutschen, ist die Bewahrung der Traditionen für die Selbstbestimmung und die Existenz als Gemeinschaft sehr wichtig. Im Leben der Volksgruppe stärkt die Traditionspflege auch die Gruppenzugehörigkeit und die Identität des Einzelnen.
Die Ahnen hatten zu den Ansiedlungszeiten die Mundart, die eigentümlichen Trachten und Bräuche aus deutschem Sprachgebiet mitgebracht. Diese haben sich mit der Zeit verändert, zufolge von Einflüssen aus dem In- und Ausland sind zahlreiche Sitten verschwunden, und auch neue hinzugekommen. Nach der Wende wurden viele Traditionen wieder neu belebt. Der Vorgang ist auch bei den Osterbräuchen zu beobachten.
Zu den bekanntesten tradierenden ungarndeutschen Bräuchen zählt der Emmausgang in Bohl und der Gang um Ostertau auf den Kalvarienberg in Schambek. Der Brauch des Ostermontag-Spritzens hatten die Deutschen in Ungarn vor paar Jahrzehnten von den Ungarn übernommen. Es gibt auch welche, die „gerade vor unseren Augen”, also in den 2000er oder eher 2010er Jahren in Ungarn direkt aus deutschem Sprachgebiet Fuß fassten. Ein solcher ist das Stellen der Ostereierbäume. Eine andere Tradition, das Schmücken der Osterbrunnen ist bereits „spurenweise” in Ungarn auffindbar. Sie existiert jedoch auch in Deutschland erst seit Anfang des 20. Jahrhunderts. Das Schmücken von Brunnen geht auf heidnische Zeiten zurück, es bedeutete das Ehren des lebenswichtigen Wassers und den Beginn des Frühjahres.
Die heute bekannte Tradition des Brunnenschmückens stammt aus der Fränkischen Schweiz, die eine Region ist, die oft mit Wasserarmut zu kämpfen hat. Nach mündlichen Überlieferungen wurde der erste Brunnen 1908 in der Gemeinde Aufseß bei Nürnberg geschmückt. Beim Schmücken ist es allgemein gewöhnlich, dass die ausgeblasenen Eier mit bunten Ostermotiven bemalt werden und auf die kronenförmig aufgestellten grünen Zweige gehängt werden. Oft werden die Zweige auch mit bunten Papierbändern verziert. Die Brunnen werden ab Palmsonntag dekoriert und bleiben bis zwei Wochen nach Ostern in diesem prunkvollen Zustand. Heutzutage sind sie eher Touristenattraktionen der Gemeinden. Zu den beliebtesten solchen Anlockungszielen zu Ostern zählen in Franken die Brunnen in Heiligenstadt und in Bieberbach. Der in Bieberbach bei Egloffstein war laut des Guiness-Buchs der Rekorde im Jahre 2000 mit exakt 11.108 handbemalten Eierschalen der größte Osterbrunnen der Welt. Die Verbreitung dieser Ostertradition ist in Deutschland seit den 1980er Jahren zu beobachten. In Schechingen (Baden-Württemberg) wird der Brunnen erst seit 2003 geschmückt, wobei 2019 die ehrenamtlichen Mitwirkenden in 30 Malnachmittagen schon um die 12.000 Eier bemalten.
Der „Traditionsimport aus Deutschland“ ist am besten in den ungarndeutschen Gemeinden zu beobachten. In Werischwar wird der Brunnen am Rathausplatz seit 2013 jedes Jahr zu Ostern geschmückt. In Bohl wird der Springbrunnen dank eines Schulprojekts sowie der örtlichen deutschen Nationalitätenselbstverwaltung und der Bürger der Stadt seit 2016 auch jährlich mit hunderten von Ostereiern in einen Osterbrunnen umgewandelt. In Tschemer konnte man den Springbrunnen auf dem Hauptplatz zum ersten Mal 2017 in Osterpracht bestaunen. In Bonnhard wurde letztes Jahr auch ein Osterbrunnen geschmückt.
Da dieses Jahr leider auch die Veranstaltungen zu Ostern wegen der Coronavirus-Krise ausbleiben, fällt der Brauch des Osterbrunnen-Schmückens sowohl in Deutschland als auch in Ungarn in den meisten Gemeinden aus. Hier gilt aber auch, dass Ausnahmen die Regel bestätigen. Die Deutsche Nationalitätenselbstverwaltung in der kleinen Ortschaft Schewinghas hat den Brunnen auch in diesem Jahr in einen Osterbrunnen umgewandelt.
In der Kleinstadt Plüderhausen in Deutschland im Rems-Murr-Kreis, wo diese Sitte auch erst seit einigen Jahren existiert, fällt sie 2020 aus. Claudia Jensen, eine der Brunnen-Aktivisten, hat aber entschieden, dass sie die Pflanztröge auf dem Marktplatz und vor der evangelischen Kirche österlich schmückt, und damit die Freude und Hoffnung des Osterns verkünden lässt. In den Pflanztrögen befinden sich riesige, mit Osterschmuck versehene Buchsherzen mit angehängten Holzherzen. Auf den Herzen stehen Dankverkündungen an den Menschen, die in diesen schwierigen Zeiten der Gemeinschaft in bestimmten Berufen dienen. Die unbeschriebenen Herzen dürfen für persönliche Dankeschöns benutzt werden.
Vielleicht verbreitet sich die Initiative von Jensen und wird schon nächstes Jahr diese schöne und „bunte” Ostertradition ergänzen.
Nandor Frei