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Am 8. März lud das Ungarndeutsche Kultur- und Informationszentrum und Bibliothek zu einem Vortrag über die Geschichte des Wallfahrtsorts Maria Einsiedel ins Haus der Ungarndeutschen ein.
Im Rahmen der Veranstaltungsreihe Zentrum-Programme im HdU wird angestrebt Wissenschaftlern einen Raum zu geben, um ihre Forschungen mit ungarndeutschem Bezug dem Publikum präsentieren zu können. Diesmal wurde Dr. János Bednárik eingeladen, der für seine Monographie Falusi plébános a polgári korban. Egyház és helyi társadalom a 19. század második felében a Buda környéki falvakban (Dorfpfarrer im bürgerlichen Zeitalter. Kirche und lokale Gesellschaft in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in der Umgebung von Ofen) 2022 mit dem Otto-Heinek-Preis ausgezeichnet worden war, um den Interessenten eine Kostprobe aus seinen Forschungsergebnissen zu geben. In seinem Vortrag Wallfahrtsort als Konfliktfeld. Laienfrömmigkeit und unfromme Spannungen in Maria Einsiedel im 19. Jahrhundert konnten die Zuhörer einen Einblick ins Milieu des Wallfahrtsortes Maria Einsiedel (Máriaremete) in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bekommen, beziehungsweise mehr darüber erfahren, wie sich dieser Stadtteil zu einer der wichtigsten Pilgerstätten des Ofner Berglandes entwickelte. Die am Veranstaltungsabend vorgestellte Geschichte handelt von einem besonderen Konfliktfall aus dem Jahre 1874 zwischen dem zuständigen Pfarrer und einer Wallfahrerin.
Dr. János Bednárik studierte Deutsche Sprache und Literatur bzw. Ethnographie an der Eötvös-Loránd-Universität in Budapest und promovierte 2018 ebenda in Europäische Ethnologie mit summa cum laude. Er ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Ethnographie. Sein Forschungsinteresse gilt der Religion, der Laienfrömmigkeit, dem niederen Klerus und den lokalen Gesellschaften in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, der Geschichte und Kultur des Ungarndeutschtums sowie der Theorie und den Methoden der historischen Ethnographie.
János Bednárik hielt am Mittwochabend keine wissenschaftliche Präsentation, sondern er erzählte über seine Dissertation, über die Geschichte des Dorfpfarrers von Maria Einsiedel, Aloysius Szobovits, mit dem er sich in seiner Monographie auch beschäftigt. Wir erfuhren, dass der Wallfahrtsort in Hidegkút (heute Pesthidegkút) schon damals sehr berühmt und gut besucht war. Es gab nicht nur die Kirche, die vorher nur eine Kapelle war, sondern auch eine Gaststätte, in der sowohl die Pilger als auch die Ausflügler willkommen waren. Tausende von Wallfahrern pilgerten jährlich zu diesem Ort. Dies verursachte aber auch Konflikte zwischen dem dortigen religiösen Leben und den unterschiedlichen Gewohnheiten der Ausflügler. Aber auch zwischen dem Pfarrer und den Wallfahrern kam es immer wieder zu Auseinandersetzungen. Am 9. Juli 1874 passierte der erste größere Skandal: ein Ehepaar pilgerte nach Maria Einsiedel und nach der Messe wollte die Frau ihren Tobiassegen segnen lassen, aber der Pfarrer, Aloysius Szobovits, zerriss diesen. Er bezog sich darauf, dass diese Gebete verboten gehören und mit den Lehren der heiligen Kirche nicht vereinbar sind. Der Ehemann wurde daraufhin sehr empört und der Priester gab ihm eine Ohrfeige.
Anhand der daraus folgenden Korrespondenz zwischen dem Pfarrer, dem Gespan und dem Bischof sowie der Artikel in der Zeitung Neues Pester Journal konnten wir die Ereignisse nach fast 150 Jahren gut nachvollziehen. Es lohnt sich sehr, die Geschichte dieses Wallfahrtsortes näher kennenzulernen, weil dieses nicht das einzige erwähnenswerte und unübliche Ereignis in dessen Geschichte war.
Fanni Elekes
Foto: Ludwig Grund
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Organisator:
Ungarndeutsches Kultur- und Informationszentrum und Bibliothek
Förderer der Veranstaltung:
Landesselbstverwaltung der Ungarndeutschen
Ministerpräsidium über den Bethlen-Gábor-Fondsverwalter (NKUL-KP-1-2023/3-000370)