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Bei der diesjährigen Landesveranstaltung anlässlich des Gedenktages zur Vertreibung und Verschleppung der Ungarndeutschen hielten Zoltán Balog, Minister für Humanressourcen, Hartmut Koschyk, Bundesbeauftragter für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten und Otto Heinek, Vorsitzender der Landesselbstverwaltung der Ungarndeutschen am 18. Januar 2015 in Bogdan/Dunabogdány, beim Vertreibungsdenkmal eine Rede.
Im Folgenden geben wir den vollen Text der Rede vom LdU-Vorsitzenden bekannt.
Sehr geehrte Frau Botschafterin Cyrus, sehr geehrter Herr Minister Balog, sehr geehrter Herr Regierungsbeauftragter Koschyk, meine Damen und Herren!
Wir sind bereits das dritte Jahr am Gedenktag der Verschleppung und Vertreibung der Ungarndeutschen beisammen, um uns vor all dem Leid zu verbeugen, welches unsere gedemütigten, in ihrer Menschenwürde verletzten und ausgeraubten Landsleute am Ende und in den Jahren nach dem zweiten Weltkrieg ertragen mussten. Wir erinnern uns an all die Menschen, die von den sowjetischen Arbeitslagern für Jahre – viele für immer – verschlungen wurden. Wir gedenken der in die einheimischen Lager Internierten und der Vertriebenen, die ihre Heimat für immer verlassen mussten. „Sie waren Töchter und Söhne eines fleißigen, gesetzestreuen, unsere Heimat bereichernden Volkes“ – schrieb Staatspräsident Áder in seinem Brief anlässlich der Einweihung des Denkmals der Verschleppten in Szerencs.
Meine Damen und Herren!
Der Gedenktag am 19. Jänner ist ein symbolisches Datum der Vertreibung: 1946 ist an diesem Tag der erste Zug mit Vertriebenen aus Wudersch in Richtung Deutschland losgefahren. Gestatten Sie mir, dass ich heute aber über die Verschleppung spreche, denn heuer begehen wir ein Jubiläum: Vor 70 Jahren waren gerade in diesen Wochen die Deportationen in die sowjetischen Arbeitslager im Gange. Der berüchtigte Befehl Nr. 0060 der Roten Armee vom 22. Dezember 1944 hat „die Mobilisierung aller arbeitsfähigen Personen deutscher Abstammung zur Organisierung und Durchführung der Wiederaufbauarbeiten im rückwärtigen Frontgebiet“ angeordnet. „Männer im Alter von 17 bis 45, Frauen von 18 bis 30 Jahre.“ Wir wissen, dass der sog. „malenkij robot“ auch die Deutschen anderer Länder – Rumänien, der Tschechoslowakei, Jugoslawien – betroffen hat und dass nicht nur Deutsche verschleppt worden sind. Aus Ungarn laut Forschung insgesamt etwa 130.000 Menschen.
„Die haben uns immer in der Nacht transportiert, dann ist der Zug immer gefahren, am Tag stand er. Und wohin, in welche Richtung sie uns gefahren haben, das wussten wir nicht. Wir haben geweint wie kleine Kinder, beteten den Rosenkranz und haben Kirchenlieder gesungen. Und wir haben erzählt, was wir zu Hause gekocht und gebacken haben“ – erinnert sich eine Überlebende. „Rückwärtiges Frontgebiet“ – heute wissen wir schon, dass dies die Kohlengruben im Donecker Gebiet, die Fabriken im Ural oder die Erdölfelder im Kaukasus bedeutet hat. „Rückwärtiges Frontgebiet“, „die haben uns immer in der Nacht transportiert“ – die Herausgeber und die Vollstrecker des Befehls haben also ganz genau gewusst, dass sie etwa Unmenschliches und etwas Rechtswidriges tun und es scheint, dass sie sich dafür auch ein wenig geschämt haben. Diese Begriffe sind genauso, wie man die Vertreibung von 200.000 Menschen aus ihrer Heimat ein Jahr später „Aussiedlung“ und sogar „Heimsiedlung nach Deutschland“ genannt hat.
Meine sehr verehrten Damen und Herren!
Mit dem Gedenktag hat das ungarische Parlament einen wichtigen und beispielgebenden Schritt in der Bewältigung der Vergangenheit getan. Es ist an der Zeit, einen weiteren zu unternehmen – und das ist bereits an den für Bildung zuständigen Minister Balog gerichtet, dem ich für sein persönliches Engagement um diesen Gedenktag danken möchte: Der Parlamentsbeschluss über den Gedenktag plädiert auch für die Anfertigung von Schulmaterialien, die sich mit der Entrechtung, Verfolgung und Vertreibung der ungarndeutschen Gemeinschaft befassen. Ich bin zuversichtlich, dass bald auch dieser Punkt des Beschlusses erfüllt wird.
Liebe Landsleute!
Wir betonen immer wieder: Wir Ungarndeutsche sind mit allen verfolgten, Diskriminierungen erleidenden Völkern und Volksgruppen solidarisch und verurteilen jede Form von Rassismus und Ausgrenzung! Es ist eine Freude und Ehre, dass uns in dieser Überzeugung auch das Mitgefühl unserer jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger stärkt. Herr András Heisler, der Vorsitzende des Verbandes der jüdischen Kultusgemeinden hat mir einen Brief geschickt, weil er wegen der heutigen Gedenkveranstaltung der Befreiung des Ghettos nicht anwesend sein kann. Gestatten Sie mir zum Schluss aus diesem Brief einen Gedanken zu zitieren: „Ich halte es für wichtig, dass wir die historischen Traumata, die unsere Gemeinschaften betroffen haben, gegenseitig anerkennen und in Ehren halten. Möge dies auch als Beispiel für die Mehrheitsgesellschaft und als Wegweisung für die Jugend dienen, damit niemand noch einmal von so einem mörderischen Hass und von solcher Rachsucht betroffen wird, welchen in Ungarn die Juden und die Deutschen erleiden mussten“.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit!