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2015 ist das Gedenkjahr der Verschleppung. Aus diesem Anlass wurde im Rahmen der Reihe Zentrum-Programme im HdU am 28. Januar im Haus der Ungarndeutschen der Dokumentarfilm Unter fremdem Himmel gezeigt, in dem Nachfahren ehemaliger Gefangenen die Orte der Arbeitslager besuchten. Der Vorführung folgte ein Gespräch mit einem der Filmemacher Dr. János Havasi.
Am Anfang des Programms gab Bibliothekar der Ungarndeutschen Bibliothek István Mayer einen kurzen historischen Überblick vom Malenkij Robot. Allein von Ungarndeutschen wurden um die 60.000 Personen verschleppt, ein Viertel-ein Drittel von ihnen kehrten nicht mehr zurück. Die Überlebenden durften nicht über das Erlebte reden, viele von ihnen hatten auch noch in ungarischen Lager arbeiten müssen, ehe sie nach Hause gehen durften.
Der vorgeführte Film Unter fremdem Himmel von János Havasi und János Jurkovics zeigte, wie eine Reisegruppe das Ural-Gebiet bereiste, und die ehemaligen Gefangenenlager und Gedenkorte aufsuchten. Es war besonders bewegend, als bei den Lagern bzw. Massengräbern die Verwandten sich an die damaligen Zwangsarbeiter erinnerten und ihre Blumen niederlegten. Der Film wurde auch den inzwischen verstorbenen Mitwirkenden Zsolt Bencze und János Jurkovics gewidmet. Der Großvater von János Jurkovics war an der Zwangsarbeit in Nischni Tagil gestorben, während der Reise wurde der Friedhof gefunden, wo er beigesetzt worden war. Leider konnte der genaue Ort seines Grabes nicht festgestellt werden. Es war einer der erhebendsten Momente des Filmes, als János Jurkovics im Namen der Familie die nationalfarbene Schleife auf das Denkmal band.
Nach dem Film wurde János Havasi von Zentrum-Direktorin Monika Ambach, der Gastgeberin des Abends vorgestellt. János Havasi ist Diplom-Jurist und Journalist. Während seiner journalistischen Laufbahn war er unter anderem Chefredakteur der Zeitschrift A Helyzet, Auslandskorrespondent von Duna TV, Ende der 90er Jahre PR-Direktor des Senders. Ab 1999 arbeitet er bei MTVA. Zur Zeit ist er zuständiger Kabinettschef für Auslandskontakte. Er war Redakteur der Sendung Hol sírjaik domborulnak? und ist Mitbegründer der Webseite Kriegssuchdienst (Háborús Keresőszolgálat), der sich mit der Forschung nach den in den Weltkriegen verschwundenen bzw. gefallenen Soldaten beschäftigt.
Herr Havasi ist selbst betroffen: sein Vater war Kriegsgefangener, seine Mutter wurde auch in Zwangsarbeit verschleppt nach dem Krieg. Nachdem sie zurückgekommen war, durfte sie nicht von ihren Heimsuchungen reden, erst lange nach der Wende sprach sie über ihre Gefangenschaft.
Der Filmemacher erzählte, dass die Heimischen freundlich gegenüber den Reisenden gewesen seien. Der Krieg sei längst vorüber, und sowohl die Russen als auch die Zwangsarbeiter hätten viel gelitten – meinten sie. Die Reisenden trafen auch Zeitzeugen, die noch die Lager funktionieren gesehen hatten. Die Gruben wurden inzwischen geschlossen, in der Region gibt es kaum Arbeit.
Es gibt viele Daten über die Arbeitslager, aber die meisten sind nicht öffentlich oder nicht allgemein bekannt. Die Sowjets führten detaillierte Verzeichnisse über allen Gefangenen, die Lage der Arbeitslager ist auch publik, aber die Daten sind schwer zugänglich. Mehrere Institutionen beschäftigen sich mit Zwangsarbeitsforschung, aber ihre Arbeit ist leider nicht koordiniert.
Herr Havasi findet es eine Schande, dass am Ort der Zivilistenlager und deren Friedhöfe keine vom ungarischen Staat errichteten Denkmäler gibt: Die Gedenkstätten werden von der Deutschen Kriegsgräberfürsorge oder von der entsprechenden russischen Institution gepflegt.
Auf die Frage, ob solche Reisen zur Bewältigung der psychischen Wunden beitragen, antwortete Havasi, dass sie einigermaßen dazu beitragen könnten, aber gleichzeitig schwer für die Teilnehmer seien. Er glaubt daran, dass dabei auch die Transzendenz eine Rolle spielt und erwähnte eine schicksalhafte Begegnung mit einem Zeitzeugen, den sie ganz zufällig trafen und wusste, wo die ungarischen Gräber liegen.
Als Schluss des Abends wurde eine aus János Havasis Gespräch mit seiner Mutter zusammengestellte Filmetüde vorgeführt. Im 7-minütigen, mit Musik untermalten Stück sprach sie darüber, wie sie zum Malenki Robot gebracht wurde, und wie das Leben im Lager war.
István Mayer