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Im Rahmen der zweitägigen Veranstaltungsreihe zum Gedenken an die „Aus der Heimat Vertriebenen” in Branauer Kleinstadt Bohl kam es am 24. September 2016 zur feierlichen Enthüllung und Übergabe des Denkmals von László Bánvölgyi: „Zum Gedenken an die Heimatvertriebenen”.
Lesen Sie hier die Festrede von Otto Heinek, dem Vorsitzenden der Landesselbstverwaltung der Ungarndeutschen:
„Wir haben beschlossen, unseren Siklóser Bezirk mit deutschen Untertanen zu besiedeln, nachdem unsere Raitzen weder in der Feldwirtschaft noch im Weinbau vorangekommen sind”
Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Landsleute!
Der unter Leistungsdruck stehende Bólyer Hofrichter Ferenc Somogyi schreibt diesen Satz in einem Brief an Gräfin Eleonora Batthiányi-Strattmann, weil die „Raitzen”, also die Serben, die man nach den Verwüstungen der Kurucenkriege angesiedelt hat den wirtschaftlichen Erwartungen nicht entsprochen haben.
Mit diesem Satz beginnt eigentlich die Geschichte der Deutschen in unserer engeren Heimat, in den Dörfern der Batthiányischen Herrschaft. Die ersten deutschen haben sich wohl 1720 in Nyomja angesiedelt. Und hier in Bóly beginnt diese Geschichte – nach unserem heutigen Kenntnisstand – mit einem gewissen Johannes Broningh und einem Kilian Spoon, die 1730 hier angekommen sind.
„Die Folgen der deutschen Ansiedlung für die Herrschaft spiegeln sich im enormen demographischen und wirtschaftlichen Wachstum. Eine positive demographische Entwicklung wäre auch mit serbischen Siedlern zu erfüllen gewesen, nicht jedoch die angestrebte ökonomische Dynamik. Das ethnische Bild wurde vielfältiger. Trugen 1738 etwa 70 % der Steuerpflichtigen serbische und kroatische und 18 % ungarische Namen, so waren nur drei Jahrzehnte (1767) später über die Hälfte der Steuerpflichtigen Deutsche” – schreibt Kar-Peter Krauss in seinem 2003 in Deutschland erschienenen Werk „Deutsche Auswanderer in Ungarn – Ansiedlung in der Herrschaft Bóly im 18. Jahrhundert.”
Meine Damen und Herren!
Mit den deutschen Ansiedlungen des 19. Jahrhunderts beginnt eine mehr als 200-jährige Geschichte der Ungarndeutschen, die der Historiker Gerhard Seewann wiederholt als „Erfolgsgeschichte” bezeichnet: Die Anwendung und Verbreitung moderner landwirtschaftlicher Produktionsmethoden, die Entwicklung des Handwerks, die geistigen, kulturellen und wissenschaftlichen Leistungen, die gelungene Integration der Deutschen in Ungarn.
Der erstarkende madjarische Nationalismus des ausgehenden 19. und vor allem des 20. Jahrhunderts nach dem verlorenen ersten Weltkrieg und den schmerzhaften Gebietsverlusten – für die die Nationalitäten verantwortlich gemacht worden sind – haben diese „Erfolgsgeschichte“ in Gefahr gebracht und die Folgen des von Hitlerdeutschland entfachten zweiten Weltkrieges haben ihr auch ein brutales Ende bereitet: Auf Ansuchen der ungarischen Regierung haben die Siegermächte der Vertreibung, der sogenannten „Aussiedlung“ der Ungarndeutschen zugestimmt.
Innerhalb von zweieinhalb Jahren musste die Hälfte unserer Volksgruppe seine Heimat verlassen und im kriegszerstörten Deutschlande ein neues Leben aufbauen. Und auch die Daheimgebliebenen hatten es schwer: Enteignung, Diskriminierung, Verbot des Gebrauchs unserer Muttersprache, Jahrzehnte der Diktatur, des Einparteiensystems.
Ob zukünftige Historiker, die irgendwann im nächsten Jahrhundert auf unsere heutige Zeit zurückblicken, über die Fortsetzung der „Erfolgsgeschichte“ reden werden können, wissen wir nicht. Doch dass es so wird, liegt zu einem großen Teil auch an uns, an den Nachkommen der Daheimgebliebenen.
Vieles läuft heute schief, wir erleben auch in unserer Zeit immer wieder das Erstarken von ausgrenzenden, nationalistischen Ideen. Doch vieles hat sich auch in positive Richtung entwickelt. Wenn wir von unseren Rechten und Möglichkeiten konsequent Gebrauch machen, wenn wir unsere Wurzeln nicht aufgeben, wenn wir die Chancen, die in der Mehrsprachigkeit liegen erkennen, wenn es uns bewusst wird, dass wir uns als Menschen, die in mehreren Kulturen zuhause sind, in der Welt besser auskennen können, haben wir eine gute Chance, auch einmal als Gestalter einer Erfolgsgeschichte bezeichnet zu werden.
Bóly hat – das weiß ich als Borjáder ja sehr wohl – tüchtige, selbstbewusste Bürger, stolze Lokalpatrioten. Bóly hat ein gutes Bildungswesen – zum Teil sogar in verantwortungsvoller Trägerschaft der deutschen Nationalitätenselbstverwaltung -, Bóly hat seit jeher eine verantwortungsvoll agierende Führung, engagierte Vereine, ein niveauvolles kulturelles Leben. Bóly hat also sehr gute Voraussetzungen dazu, dass diese „Erfolgsgeschichte“ fortgeschrieben wird.
Eine moderne, eine gemeinsame Erfolgsgeschichte.
Möge uns dieses Denkmal der aus ihrer Heimat vertriebenen einstigen und heutigen Bólyer auch an diese Chance und Verantwortung erinnern! An unsere Verantwortung gegenüber der Opfer, aber auch an unsere große Verantwortung für unser Heute und Morgen.