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Zu einem Symposium anlässlich des 500. Jahrestages der Reformation und des 70. Jahrestages des tschechoslowakisch-ungarischen Bevölkerungsaustausches luden die Landesselbstverwaltung der Ungarndeutschen, die Landesselbstverwaltung der Slowaken in Ungarn, der Stiftungslehrstuhl für Deutsche Geschichte und Kultur in Südost- und Mitteleuropa (Fünfkirchen) und die Stadt Berin am 13. Oktober in den Festsaal des Rathauses in Berin/Mezőberény ein.
Als Veranstaltungsort wurde deshalb Berin gewählt, weil in dieser Stadt sowohl die deutsche als auch die slowakische Minderheit evangelischer Konfession sind und über 200 Jahre lang friedlich zusammenlebten. Durch die Verschleppung, Vertreibung und Umsiedlung hat sich die ethnische Zusammensetzung der Stadtbevölkerung erheblich verändert: Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die jüngeren Ungarndeutschen zur Zwangsarbeit in die Sowjetunion verschleppt, ein Großteil der Daheimgebliebenen wurde nach Deutschland vertrieben. Im Rahmen des tschechoslowakisch-ungarischen Bevölkerungstausches wurde die Mehrheit der slowakischen Minderheit in die Slowakei umgesiedelt, und an die Stelle der Deutschen und Slowaken wurden ungarische Familien aus der Slowakei angesiedelt. Doch der evangelische Glaube verbindet die in Berin lebenden Slowaken und Deutsche immer noch stark.
Über bedeutende evangelische Pfarrer und ihre Wirkung im 18. und 19. Jahrhundert sprach in seinem furiosen Vortrag Dr. Ádám Erdész (Direktor des Komitatsarchivs Bekesch). Denn die Auswirkungen prägen heute noch Mentalität, Denk- und Verhaltensweise der hier Lebenden. Dr. Zsuzsanna Novák-Plesovszki (Dipl.-Ethnographin der Károli-Universität Budapest) erzählte über die Rolle der Slowaken in Berin in der Bewahrung des Protestantismus. „Kirchen und Minderheitenpolitik – Ethnisches und religiöses Leben in Berin in der Zwischenkriegszeit“ war das Referat von Veronika Szakál (Historikerin des Mihály-Munkácsy-Museums in Békéscsaba) betitelt. Nach den Vorträgen gab es genügend Zeit für eine rege Diskussion zum Beispiel über die Bezeichnungen „tót“ und „sváb“ bzw. gab es ergänzende Kurzbeiträge, beispielsweise über die Geschichte einer Luther-Bibel, die in der Bibliothek in Orosháza zu finden ist.
In der Kaffeepause wurden die informativen Wanderausstellungen „Reformation im östlichen Europa“ (mit dreisprachigem Infomaterial vom Potsdamer Deutschen Kulturforum östliches Europa) bzw. „Tschechoslowakisch-ungarischer Bevölkerungsaustausch aus slowakischer Sicht“ eröffnet und ausgiebig besichtigt und untereinander besprochen.
Dr. Marianna Bagyinszky (Gymnasiallehrerin) sprach dann über „Mikrogeschichtliche Bezüge der Aussiedlungen und der Vertreibung im Komitat Bekesch“. Mihály Körösi (Lehrer) erzählte über familiäre und institutionelle Beziehungen zwischen Berin und den Ausgesiedelten unter dem Aspekt der Geschehnisse von 1946 und 1956. Dr. Ágnes Tóth (Leiterin des Stiftungslehrstuhls für Deutsche Geschichte und Kultur im südöstlichen Mitteleuropa, Universität Fünfkirchen) referierte zum Thema „Der Einsatz der evangelischen Kirche für ihre Gläubigen nichtungarischer Muttersprache“. Zum Schluss haben die Vertreter der örtlichen slowakischen und deutschen Minderheit die wichtigsten Schwerpunkte ihrer gegenwärtigen Arbeit dargelegt.
Beim abschließenden Empfang konnten die Teilnehmer über die Vorträge diskutieren und in einen Erfahrungsaustausch treten. Denn das Symposium lieferte zahlreiche aufschlussreiche Informationen über die Rolle des Protestantismus in dieser Region in der Vergangenheit und heute. Wie Mosaiksteine fügten sich die Einzeldarstellungen zu einem Ganzen zusammen. Man würde das Konferenzmaterial gern in einer Publikation nachlesen.
Die Veranstaltung wurde vom Bundesministerium des Innern der Bundesrepublik Deutschland, der Landesselbstverwaltung der Ungarndeutschen und der Landesselbstverwaltung der Slowaken in Ungarn gefördert.
Károly Radóczy
Der Artikel ist erschienen in: Neue Zeitung, 42/2017