Zentrum.hu

Ein Fest der ungarndeutschen Kirchenmusik

Möchten Sie über ähnliche Themen erfahren?
Drücken auch Sie ein Like auf die –> Zentrum Facebook-Seite

Im Rahmen der IV. Landesrat-Singwoche fand am 4. Juli 2015 in Petschwar/Pécsvárad das 19. Treffen ungarndeutscher Kirchenchöre statt.

Um das deutsche Kirchenlied zu pflegen und den Gläubigen Mut zu machen, in ihrer eigenen Kirche ebenfalls diese Lieder anzustimmen, sei dieses Treffen von 18 Kirchenchören und den Mitgliedern der Singwoche in Petschwar veranstaltet worden -sagte der Vorsitzende der Sektion Kirchenmusik des Landesrates der ungarndeutschen Chöre, Kapellen und Tanzgruppen, László Szax. Das Treffen erfüllte diesen Vorsatz restlos.

Die 19 Chöre gaben ihr Bestes, man musste mit Erstaunen feststellen, wie gut manche zwei- oder vierstimmig gesungenen Lieder in der Kirche mit herausragender Akustik klangen. Dass ein Treffen dieser Art auch dem kulturellen Leben der Ungarndeutschen neue Impulse geben könne, meinten auch die Leiter der örtlichen Institutionen. Ihrer Meinung nach würden die Chöre in den verschiedenen Komitaten ihr Interesse erst seit einigen Jahren auch dem Kirchenlied widmen: So sei jeder neue Impuls herzlich willkommen, auch wenn inzwischen sehr gute Fortschritte erzielt worden seien. Aus organisatorischen Gründen mussten die Chöre in drei Gruppen eingeteilt werden, die dann gemeinsam das Programm sangen.

Strahlender Sonnenschein und hochsommerliche Wärme in Petschwar. Gegen Mittag füllte sich die katholische Pfarrkirche allmählich mit bunten ungarndeutschen Trachten. Mehr als 400 Sängerinnen und Sänger strömten aus dem ganzen Land mit Bussen und Kleinwagen herbei. Die DNSV Petschwar und der Landesrat der ungarndeutschen Chöre, Kapellen und Tanzgruppen hatten dazu eingeladen.

Wie es beim Landesrat Brauch ist, wurde eine deutschsprachige Heilige Messe gehalten, als Bitte an den Herrn im Himmel dafür, dass dieses 19. Fest der ungarndeutschen Kirchenmusik, das in der unter Renovierung stehenden Kirche veranstaltet werden durfte, gut gelingen werde. Hochwürden Pfarrer Stefan Wigand war der Zelebrant und Prediger des deutschsprachigen Gottesdienstes, den die Chöre mit ihren Gesängen bereicherten. Mit den Segenswünschen wurde dann das Kirchenmusikkonzert eröffnet.

Um 16 Uhr begann das Konzert, das der Vizevorsitzende der DNSV Josef Apaceller mit einer Ansprache eröffnete. In seinen Ausführungen erwähnte er die Geschichte der Abteikirche – die dieses Jahr den 1000. Gründungstag feiert – las einen Begrüssungsbrief des neuen Bürgermeisters János Zádori vor und bedankte sich beim Abtpfarrer Géza Antal für die Bereitschaft und Unterstützung dieses Kirchenmusikfestes bzw. dass diese Veranstaltung in der Kirche abgehalten werden durfte. László Szax, Vorsitzender der Sektion Kirchenmusik im Landesrat begrüßte anschließend die zahlreichen Teilnehmer und Gäste, danach wurde die ungarische Hymne und die Hymne der Ungarndeutschen gesungen.

Der von Sonnenlicht bestrahlte Kirchenraum füllte sich nicht nur mit harmonischen Klängen, sondern auch mit der dazu nötigen seelischen Stimmung, die Wärme und Zuversicht ausstrahlte, und mit lebendigem Glauben und gelebter Tradition. Man steht zur nationalen Identität, singt inbrünstig die ungarische Hymne und trotzdem gehört dem ungarndeutschen Kulturraum an. Eines schließt das andere nicht aus. Dieser Kulturraum wird nicht nur von den bunten Trachten, den deutschen Bildstöcken und Dreifaltigkeitssäulen geprägt, sondern auch von den jahrhundertalten Lieder, die auch nach den beiden Weltkriegen, nach Flucht, Vertreibung und kommunistischem Atheismus nicht verklungen sind. Es klingt fast wie ein Wunder, dass ein solches Kulturgut aus eigener Kraft sich auch zum Beginn des 21. Jahrhunderts entfalten kann. Irgendwo in der Seele dieser Menschen gibt es noch – diese donauschwäbischen Kirchenlieder.

Der erste Teil des Konzertes wurde vom Deutschen Nationalitätenfrauenchor aus Willand/Villány, dem Deutschen Nationalitätenchor aus Saswar/Szászvár, vom Deutschen Nationalitätenchor „Mondschein” aus Seksard/Szekszárd, dem Deutschen Nationalitätenchor aus Surgetin/Szederkény, dem Deutschen Nationalitätenchor „Liederkranz” aus Lantschuk/Lánycsók und dem Deutschen Nationalitätenchor „Rozmaring” aus Tamaschi/Tamási bestritten.

Die Lieder „Es glänzt kein Licht” (Neuarad 1846), „Ihr Engel allzumal”, und „Die Schönsten von allen” (Aufzeichnung Adam Niedermayer 1882, Elek, bear. Franz Neubrandt) wurden von Frau Márta Molnár, die Lieder „Erhebt euch ihr Christen” (erwähnt in Maria Radna 1857) und „O Königin voll Herrlichkeit” von Frau Anett Balogh dirigiert.

Bereits die erste Chordarbietung ließ die zahlreichen Zuhörer aufhorchen: Diese traditionellen donauschwäbischen Kirchenlieder wurden zweistimmig vorgetragen. Die Lieder, die erklangen, waren allen Teilnehmern teilweise bekannt: Kirchenlieder die sowohl in Ungarn, im Banat als auch in der Batschka oder in Deutschland und Österreich heute noch erklingen.

Darauf, im zweiten Block sangen die vereinten Chöre (Chor „Liederschatz” aus Budapest, Deutscher Nationalitätenchor „Rozmaring” aus Tewel/Tevel, Deutscher Nationalitätenchor „Vergissmeinnicht” aus Hedjeß/Hőgyész, Deutscher Nationalitätenchor Bonnhard/Bonyhád, Deutscher Nationalitätenchor Kleindorog/Kisdorog, Deutscher Nationalitätenchor Mesch/Mözs und Deutscher Nationalitätenchor „Glück Auf” aus Großmanok/Nagymányok sowie die Mitglieder der Singwoche des Landesrates der ungarndeutschen Chöre, Kapellen und Tanzgruppen).

Zum Vortrage gelangten die Lieder „Komm zu mir”, „Maria, Jungfrau schön” (Johann Papp Szigetvár/Fünfkirchen 1884), „Ave Maria, du göttlicher Schein” dirigiert von Frau Éva Herger und im zweiten Teil die Lieder „Sei gegrüßt, o Jungfrau rein” und „Hast du keinen Raum für Jesum” (Kirchenlied aus Kosart/Egyházkozar, gesammelt von Tibor Németh) – dirigiert von Frau Krisztina Fódi.

Die große Chorvereinigung mit über 150 Sängerinnen und Sängern trug diese Lieder zweistimmig vor, doch durch die Verdoppelung der einzelnen Stimmen – durch die Frauen- und Männerstimmen – wurde ein Orgelklang erzeugt. Die vielen jungen Sängerinnen und Sänger mit ihren klaren Stimmen trugen deutlich zum Gelingen dieses Konzertes bei. Obzwar viele dieser Teilnehmer der deutschen Sprache nicht mächtig waren, trugen sie mit ihrem musikalischen Talent zum Gelingen dieses Chorfestes bei. Dieses Fest war durch die vielen Sonntagstrachten nicht nur ein Fest für die Ohren sondern auch für die Augen. Auch die traditionell hochgeschätzte ungarische Gesangschule (z.B. die Kodály-Methode) steuerte ihren Beitrag dazu bei. Phrasierungen und dynamische Steigerungen belebten den Chorgesang und machten aus den einfachen und schlichten Liedern einen wahren Kunstgenuss.

Den letzten Teil des Chorkonzertes haben folgende vierstimmigen Chöre bestritten:
„Királyi Kórus” Sepetnek, Takser Gemischter Gesangkreis, Kirchenchor von Waschludt/Városlőd, Deutscher Nationalitätenchor Kroisbach/Fertőrákos und der Deutscher Nationalitätenchor „Animato” Nadwar/Nemesnádudvar.

Auf dem Programm standen vom J. S. Bach: „Ach, bleib bei uns” dirigiert von Krisztina Fódi. Von M. Bühler: „Herr der Welten” dirigiert von Hajni Pfeifer-Takács. „Christus ist erstanden” (Aufzeichnung Adam Niedermayer 1882, Elek, bearb. von F. Koringer) wurde dirigiert von Krisztina Kollonay. Der letzte Gesang „Lobe den Herren, den mächtigen König” von Purcell (Joachim Neander 1680) – Grundlage der ursprünglichen Melodie war das Lied „Hast du denn, Jesu, dein Angesicht”. Die Melodie wurde jedoch über einige Jahrzehnte bis zur heute bekannten Melodie abgewandelt). Dirigiert von Michael Kéry und vorgetragen von über 140 Sängerinnen und Sängern klang es wie ein Gebet aus, und in völliger Stille verharrten die Zuhörer bis der letzte Ton sich im Kirchenschiff verlor.

Zum Abschluss des Konzertes wurde jedem Chorleiter und den Teilnehmern der Singwoche eine vom Landesrat angefertigte Ehrenurkunde als Erinnerung an dieses Kirchenmusikfest und die Singwoche überreicht. Kleine Geschenke wurden an die Organisatoren übergeben. László Szax sprach im Namen des Landesrates seinen Dank an alle Mitarbeiter aus. Abschließend meinte er: „….Gesang und Gebet in der eigenen Muttersprache…es ist auch sonst nützlich, immer etwas für das deutsche Kirchenlied zu tun. Die ungarische Kirche braucht doch immer wieder mal Impulse, um in diesem Bereich etwas mehr zu tun oder zuzulassen. Welche Aktivitäten, wenn nicht solche Treffen, können sonst dazu beitragen. Der Landesrat wird auch zukünftig alles unternehmen, um jenen Ungarndeutschen zu helfen, die Noten, Fortbildungen oder Ermunterungen brauchen. Auch die Treffen sollen weitergeführt werden, allerdings ist nicht die immer größere Zahl der Teilnehmer wichtig, sondern das Miteinbeziehen des Publikums vor Ort…..”

Der Höhepunkt der Veranstaltung und auch zugleich das Ende des Kirchenkonzertes war das von allen Teilnehmern gesungene Marienlied „Gegrüßt seist Du”, das von Frau Krisztina Fódi dirigiert wurde. Dieses in Mainz im Jahre 1712 das erste Mal aufgezeichnete Lied wurde im Jahre 1860 in Harzfeld gesungen.

Nach dem Chorkonzert wurden alle Teilnehmer von der Leitung der DNSV und dem Landesrat der ungarndeutschen Chöre, Kapellen und Tanzgruppen zu einem gemütlichen Abend eingeladen, den sich die vielen Sängerinnen und Sänger wohl verdienten haben.

Die Entwicklung der ungarndeutschen Chöre bezüglich des fachlichen Wissens und des Repertoires ist auf der Ebene des Kirchengesangs kontinuierlich. Zu verdanken ist dies nicht zuletzt auch Franz Neubrandt aus Sanktiwan bei Ofen/Pilisszentiván, der in seiner Gemeinde bereits seit dem Jahr 1956 als Kantor tätig ist, seitdem er auch ungarndeutsche Kirchenlieder sammelt, sie herausgibt und auch eigens welche komponiert. Franz Neubrandt war innerhalb des Landesrates Leiter des Ausschusses Kirchenmusik, und er war auch (wenn auch im Hintergrund) für das gute Gelingen des jetzigen Festes mitverantwortlich. Für seinen Nachfolger, den neuen Vorsitzenden der Sektion Kirchenmusik, László Szax war es die zweite Veranstaltung und alle meinten, er habe sie gut bestanden.

Die vielen Proben, der selbstlose Einsatz aller lohnten sich. Das 19. Fest der ungarndeutschen Kirchenmusik in der römisch-katholischen Kirche zu Petschwar war ein außergewöhnlicher Genuss für sämtliche Teilnehmer und das Publikum und ein geistiges Erlebnis von höchstem Niveau. Diese edle Tradition verdient eine Fortsetzung, die in Zukunft gewiss noch zu zahlreichen neuen Höhepunkten in der Pflege des ungarndeutschen Kirchengesangs führen wird. Das Repertoire des 19. Festes der ungarndeutschen Kirchenmusik wurde aufgezeichnet, aus dem Material soll eine CD entstehen. Alle Teilnehmer dieser wunderbaren Veranstaltung wurden innerlich ganz besonders bereichert. Der Stil, die Vortragsweise, die Lieder, die sich vom volkstümlichen Gesang bis hin zu Chorliedern namhafter Komponisten erstreckten, waren in den drei Blocks der auftretenden Gruppen aus den einzelnen Komitaten und Regionen unterschiedlich, aber auf dem gleichen hohem Niveau.

Unser großer Dank geht an die Sponsoren und besonders an die DNSV Petschwar, ohne deren tatkräftigste Mitarbeit dieses Fest nicht zustande gekommen wäre. Herzlichen Dank dafür!

Text und Fotos: Manfred Mayrhofer (LandesratForum)

Die mobile Version verlassen