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Mit einer deutschsprachigen Messe in der römisch-katholischen Kirche begann die staatliche Feier anlässlich des Gedenktages der Vertreibung und Verschleppung der Ungarndeutschen am 19. Jänner in Maan (Komitat Weißenburg). Vom „Gedenken an geschehenes Unrecht“ sprach der Pfarrer der deutschsprachigen Sankt-Elisabeth-Gemeinde Budapest, Bernhard A. Kollmann.
„… es zeugt von beachtenswertem Geschichtsbewusstsein, dass ein Staat an das in seinem Namen begangene Unrecht in der Vergangenheit mahnend und versöhnend – und damit zukunftsorientiert – erinnert.“ Dies betonte der Beauftragte der Bundesregierung für nationale Minderheiten Bernd Fabritius bei der Gedenkfeier am Mahnmal der Maaner Vertriebenen auf dem Friedhof. Er erinnerte an den großen Einbruch, den Verschleppung und Vertreibung für die ungarndeutsche Geschichte bedeutete. Nichtsdestotrotz habe sich die ungarndeutsche Minderheit nach der politischen Wende 1990 eingebracht, wirksame Arbeitsstrukturen geschaffen.
Früher zugefügte Wunden können am besten geheilt werden, wenn die ungarndeutsche Gemeinschaft in allem unterstützt werde, sagte der Staatssekretär für Kirchen, Minderheiten und Zivilangelegenheiten Miklós Soltész. Für diese vielfältige Förderung bedankte sich ausführlich der ungarndeutsche Parlamentsabgeordnete Emmerich Ritter. Zahlreiche Kränze und Blumen des Gedenkens wurden niedergelegt. LdU-Vorsitzende Ibolya Hock-Englender und Emmerich Ritter legten gemeinsam den Kranz der Ungarndeutschen am Denkmal der Vertreibung nieder. Die Messe und die Gedenkfeier wurden vom Rosmarein-Chor aus Edek mit Akkordeonbegleitung umrahmt (Leiterin: Ilona Buzál).
Die Festgäste wurden nachher ins neu errichtete regionale Kultur- und Jugendzentrum „zum Aufwärmen“ eingeladen, das im Mai seiner Bestimmung übergeben werden soll.
Dieses tragische Ereignis sei zum identitätsstärkenden Faktor bei den heimatverbliebenen Ungarndeutschen geworden, heißt es in der Stellungnahme der Minderheiten-Ombudsfrau zum Gedenktag. Dr. Elisabeth Sándor-Szalay unterstrich, dass die deutschen Nationalitätenselbstverwaltungen über ihr eigenes Institutionensystem im Bildungs- und kulturellen Bereich herausragende Aufgaben versehen und damit eine unumgängliche Rolle in der Sicherung der Zukunft der ungarischen Gesellschaft übernehmen würden. Die Minderheiten-Ombudsfrau lenkte die Aufmerksamkeit darauf, dass neben dem Gedenken die genaue und authentische Aufdeckung und Kenntnis der historischen Ereignisse unabdingbare Bedingung für die freie Entfaltung der Identität der Nationalitäten sei, die wiederum einen besonderen Wert für die gesamte Gesellschaft darstelle.
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Homilie von Bernhard A. Kollmann
Es ist ein schwieriges, auch ein politisches Thema: Erinnerung. „Erinnerungskultur“ ist ein modernes Schlagwort. – Es ist gar nicht so einfach, Erinnerung zu pflegen, wachzuhalten – nämlich ohne Verhärtung, ohne selbst hart zu werden.
Wir feiern heute diese Heilige Messe im Gedenken an die Vertreibung Ungarndeutscher nach dem Zweiten Weltkrieg. Viele von uns sind schon Nachgeborene, die aber die Erinnerungen an das Unrecht wachhalten – auch durch den staatlichen Gedenktag heute.
Auch unsere Heilige Schrift, die Bibel pflegt Erinnerung: Gottes Volk war als Fremder im Ausland, in Ägypten. Gottes Sohn Jesus hat mit seiner irdischen Familie dieses Schicksal geteilt – nicht freiwillig.
Als Texte aus der Heiligen Schrift haben wir heute die, die auf der ganzen Welt heute in katholischen Kirchen vorgetragen werden.
Die Erste Lesung hat ihren Ursprung in der Frage: Kann angesichts großer Enttäuschungen an den Verheißungen/Versprechen Gottes festgehalten werden?
Wenn jede Hoffnung auf der Kippe steht? Wenn gesetzte Erwartungen sich nicht erfüllen? Je mehr die Lebensbedingungen unzumutbar werden, umso mehr steht auch die Frage nach Gott auf dem Spiel.
Der Prophet Jesaja in der Ersten Lesung heute will den Menschen Trost geben und Mut machen. Gott wird seinen – wie Jesaja ihn nennt – „Knecht“ senden. Der Erniedrigung wird dieser nicht ausweichen. Wir hören diese Texte wieder in der Karwoche…
Der Täufer Johannes im Evangelium heute ist ein Zeuge dafür, daß Jesus dieser Erwartete ist. Johannes nennt Jesus das „Lamm Gottes“. Damit erinnert Johannes an zwei jüdische Traditionen:
Zum einen an das Paschafest, bei dem Lämmer geschlachtet wurden. Diese Lämmer erinnern an die Befreiung aus der Gefangenschaft in Ägypten. Es kein Zufall, daß Jesus genau während des Schlachtens der Paschalämmer im Tempel am Kreuz stirbt.
Zum anderen erinnert Johannes an den „Knecht Gottes“ im Prophetenbuch Jesaja wie in der Ersten Lesung heute. Alles, was von diesem Gottesknecht geschrieben ist, gilt für Jesus, den Christus.
Was hat das mit uns – gerade heute – zu tun?
Wir können unsere Wohnungen vor Einbrechern schützen. Wir können uns gesund ernähren, gesund leben und vor Krankheiten schützen. Wir können uns durch Versicherungen bei Unfällen absichern. Und dennoch gibt es keine letzte Sicherheit. Wir sind und bleiben als Menschen verwundbar.
Zu Weihnachten haben wir gefeiert, daß Gott in Jesus Mensch geworden ist. Er hat die Verwundbarkeit menschlichen Lebens am eigenen Leib erfahren. Auch darum nennt ihn der Täufer Johannes „Lamm Gottes“.
Das Lamm steht für Wehrlosigkeit und Verwundbarkeit. Gott hat die Ungesichertheit des Menschen in Jesus auf sich genommen. Begreifen kann man das nicht, aber wir können uns darauf einlassen.
Wer das macht, kann die eigene Verwundbarkeit akzeptieren. Denn das fällt nicht so leicht. Viele kämpfen ihr Leben lang dagegen an und setzen sich so permanent selbst unter Druck.
Doch wo Menschen nicht den starken Mann – oder die starke Frau –markieren/vortäuschen, sondern akzeptieren, daß sie verletzlich sind, wird das Leben leichter – auch wenn dieselben Probleme weiter bleiben.
Wenn wir als Christen historischer Ereignisse gedenken, an Unrecht in der Geschichte erinnern, dann wissen wir auch, daß Gott nicht einfach die Probleme für uns löst.
Aber als Christen wissen wir und erfahren wir, daß Gott uns nicht allein läßt in allem Unrecht, das uns widerfährt/das wir erleben – oder erlebt haben.
In seinem Mensch gewordenen Sohn begleitet uns Gott/geht er selbst an unserer Seite durch die schwersten Stunden mit uns. Gott gibt uns nichts, mit dem wir einfach fertigwerden; sondern Gott hilft uns fertigzuwerden mit dem, was uns gegeben ist.
Und das hat dann Folgen – nicht nur für uns. Denn unser Motto ist dann nicht: „Wie du mir, so ich dir“ sondern „Wie Gott mir, so ich dir“.
So könne wir ohne alten Haß und Groll und Bitterkeit versuchen zu tun, was er uns sagt – bei allem Wissen um vergangenes Unrecht, das sehr wohl bekannt und öffentlich gemacht werden soll. Aber nicht um gegeneinander aufzurechnen sondern um neues Unrecht zu verhindern.
Worüber werden wir uns vor Gott verantworten müssen? – Ob wir uns besser um unsere Mitmenschen kümmern, als unsere Vorfahren es selbst von ihren Mitmenschen erfahren haben.
Erschienen in: Neue Zeitung, 4/2020
Fotos: Gregor Gallai, Angelika Pfiszterer, Antal Wunderlich