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Vermutlich denken 2020 nur wenige Ungarndeutsche daran, dass genau vor 303 Jahren, am 13. Mai 1717, jemand in Wien geboren ist, die später auch als die mächtige Herrscherin Ungarns die geschichtliche Rolle ihres Imperiums auf der historischen Bühne Europas jahrzehntelang bestimmte. Wenn man erwähnt, dass sie aus dem Haus der Habsburger stammte, dann ist es kein Geheimnis mehr, dass es sich dabei um Maria Theresia handelt. Auch das Wirken ihres Vaters ist für die ungarndeutsche Volksgruppe nicht weniger bedeutend.
Den Vater kennt man aus der Geschichte als Karl III., König von Ungarn, und als Karl VI., römisch-deutscher Kaiser und Erzherzog von Österreich. Nach den Türkenkriegen und vor allem nach dem Friedensabkommen von Sathmar im Jahre 1711 begann im Königreich Ungarn eine fast hundert Jahre lange Friedensperiode und Stabilität, die auch die massenweise Ansiedlung der Deutschen nach Ungarn ermöglichten. Der Kaiser sicherte das Fortbestehen der Herrschaft der Habsburger durch die Pragmatische Sanktion von 1713, durch die eine weibliche Erbfolge in den habsburgischen Ländern ermöglichte. Diese wurde in Pressburg auch von den ungarischen Ständen anerkannt und 1722 als Gesetz verabschiedet. Im folgenden Jahr wurde die Impopulationsgesetz vom Pressburger Landtag verabschiedet, das – vor allem die deutsche – Einwanderung aus dem Alten Reich förderte und zugleich die rechtliche Grundlage für die Ansiedlung im ganzen Jahrhundert bildete. Karl III. förderte mit der Ausnahme des Banats und Teile der Batschka die Ansiedlung in die privaten Herrschaften. Die Förderung der Wiederaufbautätigkeit und Modernisierung in Ungarn wurde auch von der Tochter in ihrer Regierungszeit ab 1740 fortgesetzt.
1720 schätzt man Ungarns Bevölkerung um die vier Millionen Seelen, die zur Volkszählung von Josef II. im Jahre 1787 eine Anzahl von 8,3 Millionen ausmacht. Diesen enormen Zuwachs konnte man nur durch die Ansiedlung – geschätzt um eine Million Personen, darunter 400.000 deutsche Kolonisten – realisiert werden. Die deutschen Kolonisten brachten neue und effektive landwirtschaftliche Methoden mit, wozu auch auf Produktivität und Besitzsteigerung ausgerichtete Mentalität und bei den meisten eine – im Vergleich zu den ungarischen Verhältnissen – beträchtliches Startkapital zählte.
In den Ansiedlungsverträgen zwischen den Kolonisten und den Grundherren wurden die genauen Bestimmungen über Besteuerung, Naturalabgaben und Arbeitsleistungen festgelegt. Doch infolge der Konsolidierung der Eigentumsverhältnisse und des sinkenden Angebots an freien Bauernstellen hielten sich die Grundherren nicht mehr an den Verträgen und erhöhten die Lasten der Bauern, die zu Bauernaufständen führten. Der Bauernaufstand von 1766 in Transdanubien war die erste Grundherrschaften übergreifende politische Bewegung, in der sich in einer ganzen Region des Landes Ungarndeutsche miteinander solidarisierten. Die Konflikte löste Maria Theresia durch die Urbarialregulierung, die die Anschaffung von Grundbüchern verordnet, in denen die genauen bäuerlichen Besitz- und Nutzungsrechte mit den dazugehörigen Leistungsverpflichtungen festgelegt werden. Diese verschafften den Bauern allgemeine Rechtssicherheit und waren mit der 1777 eingeführten Ratio-Educationis-Verordnung, die das Schulwesen standardisierte und unter staatliche Aufsicht stellte, zu ihrer Zeit moderne Gesetze. Diese setzten das Land – im Gegensatz zu den Zeiten der Türkenherrschaft – wieder auf „europäischen Kurs”. Maria Theresia hinterließ ihrem Sohn, Josef den II., 1780 ein stabiles Imperium, das zu den damaligen Großmächten Europas zählte und damit auch das Ungarische Königreich „wieder auf Europas Landkarte brachte”.
Betrachtet man die Geschichte, sollte man eventuell darüber nachdenken, dass – abgesehen von den dunklen Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts – für Ungarn eher die Integration in Europa bzw. Näherung an den westlichen Ländern Europas eine kulturelle und wirtschaftliche Entwicklung brachte.
Über die für die Ungarndeutschen bedeutende Herrscherin existiert in ganz Ungarn nur eine einzige ganzkörperliche Statue in Gedele erst seit 2011. Ursprünglich war sie 1907 auf dem Millenniumsdenkmal mit anderen habsburgischen Herrschern auf dem Heldenplatz ausgestellt, wurde aber in den 1950-er Jahren durch die Statue von Emmerich Thököly ersetzt. Obwohl die Statue aus der Hauptstadt „vertrieben wurde”, sollten zumindest wir Ungarndeutsche Maria Theresia mehr gedenken.
Nándor Frei