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Im Zeichen von mehreren Jubiläen stand die Vernissage der Gemeinschaftsausstellung der VUdAK-Künstlersektion „In Bewegung“ und 100 Jahre Josef de Ponte am 31. März im Stuttgarter Liszt-Institut. 1972 wurde die Literarische Sektion im Demokratischen Verband der Deutschen in Ungarn gegründet. Seit 1977 treffen sich die Autoren (seit 30 Jahren auch die Künstler) jedes Jahr zu den dreitägigen Werkstattgesprächen. 1992 entstand nach dem Vorbild der KünstlerGilde Esslingen VUdAK – der Verband Ungarndeutscher Autoren und Künstler. Ein Gründungsmitglied, Josef Bartl, wäre heuer 90 Jahre alt. Der aus Wudigeß vertriebene akademische Maler Josef de Ponte könnte heuer seinen 100. Geburtstag feiern. Das Land Baden-Württemberg, Patenland der Heimatvertriebenen, feiert in diesem Jahr 70-jähriges Bestehen.
Institutsdirektor Dr. Dezső Szabó konnte zahlreiche prominente Gäste willkommen heißen. Eine besondere musikalische Umrahmung sicherte Grzegorz Chawalinski. Sehr einfühlsam trug Ildiko Fillies von der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Gedichte von VUdAK-Gründungsmitglied Valeria Koch vor. Über eine Erfolgsgeschichte des Zusammengehens von Autoren und bildenden Künstlern konnte Johann Schuth berichten. In die Ausstellung führte Eugen Christ von der Donauschwäbischen Kulturstiftung des Landes Baden-Württemberg ein. Wir veröffentlichen seine Rede.
„Wenn ich eine Schale malen will“, so Pablo Picasso, „dann zeige ich Ihnen natürlich auch, dass sie rund ist. Der allgemeine Bildrhythmus jedoch, das Kompositionsgerüst, kann mich dazu zwingen, diese Rundung als Quadrat darzustellen.“ Sie sehen, meine sehr geehrten Damen und Herren, die Kunst kann alles, sogar die Quadratur des Kreises. So auch unsere Ausstellung: Der Mythos runder Zahlen, in unserem Falle 30 und 100, lässt den Widerspruch zwischen der vorwiegend informellen Ausdrucksweise der sich unter dem Dach des Verbandes Ungarndeutscher Autoren und Künstler präsentierenden Persönlichkeiten und den gegenständlichen Darstellungen des Josef de Ponte überbrücken. Das Entweder Oder wird zum Sowohl als Auch!
Analog zu Picassos Bildidee gedacht, sollte eine Kunstausstellung ihr eigenes „Kompositionsgerüst“ haben. Unsere Ausstellung kann jedoch kein „Kompositionsgerüst“ vorweisen, dafür aber einen gemeinsamen Nenner, eine verbindende Idee: Die gemeinsame Heimat. Dadurch vermittelt sie eine schlüssige Botschaft: Die im Laufe der Jahre lebendige Präsenz ungarndeutscher Kunst und Kultur. Daher soll die Ausstellung auch nicht mehr als die Vielfalt künstlerischen Wirkens, mit der sich die Ungarndeutschen, ihre Künstlerinnen und Künstler, in die Kulturlandschaft Ungarns und in Europa einbringen, veranschaulichen.
„Die Dame lässt sich kaum definieren, aber man weiß es, wenn man einer gegenübersteht.“ Diese Worte des Schauspielers Willy Birgel lassen sich auf die Kunst übertragen: Kunst lässt sich leider auch nur schwer und kaum verbindlich definieren, aber man weiß, wenn man einem Kunstwerk gegenübersteht! Seien Sie sich bitte sicher, dass Sie Kunst erfahren, wenn Sie die ausgestellten Werke betrachten.
Wenn Sie sich die objektbezogenen Darstellungen von Josef de Ponte anschauen, erkennen Sie etwas, das Ihnen vertraut ist. Das verleiht Ihnen Sicherheit und Sie freuen sich, wenn Ihnen das Werk zusagt. Man müsse also nicht wissen, so Immanuel Kant, was eine Blume eigentlich ist, um sie schön zu finden. Im Falle informeller Ausdrucksweise möchten Sie jedoch mehr, Sie möchten Bezug finden und die Werke, das, was Sie sehen und Ihnen irgendwie anders erscheint, verstehen. Auch wenn uns die Zeit erlauben würde, diesen Versuchungen nachzugehen, in dem ich Ihnen das Eine oder Andere erkläre, wäre das ein kaum angebrachtes Unterfangen. Ein Werk in Worte zu fassen, würde die Kunst von ihrem Wesen und Sinn entfremden: „Menschen, die Bilder erklären wollen“, so diesmal Pablo Picasso, „bellen gewöhnlich den falschen Baum an.“
Denn ein Kunstwerk ist ein sinnenhaftes Angebot zur sinnenhaften Annahme. In unserem Falle geht es um das Bild. Als Mitteilung richtet es sich unmittelbar an das Auge. Da denkt das Auge, so der Architekt Bruno Taut. Der Wahrnehmungsbereich der Augen ist das Licht. Dem Licht entspringt die Farbe. Bevor also ein Bild ein Pferd, einen Akt, ein Porträt, eine Landschaft oder den Augenblick irgendeines Geschehens darstellt, so der Maler Maurice Denis, ist es nicht mehr und nicht weniger als eine Oberfläche, die nach einer bestimmten Ordnung bzw. Logik mit Farben bedeckt wird. Oder wie es Henri Matisse formuliert: Es ist vorerst das „Aufsuchen der stärksten Farbwirkung – der Stoff ist gleichgültig“. Die Form bzw. das Geschehen, das, was vom Verstand erkannt und begriffen wird, ist lediglich das Alibi für die Farbe.
Der amerikanische Maler Roy Lichtenstein bringt es auf den Punkt: „Farbe ist entscheidend für die Malerei; aber es ist sehr schwer, über sie zu sprechen. […] Es ist schwer, Kunst in Worte zu fassen. Worte greifen immer zu kurz. […] Kurz und gut: Entweder man sieht’s oder man sieht es nicht.“ Man sieht’s oder man sieht’s nicht, man hört‘s oder hört’s nicht, man schmeckt’s oder schmeckt’s nicht, man riecht’s oder man riecht’s nicht, man spürt‘s oder man spürt’s nicht: All das sind Erfahrungsebenen, die sich einer künstlerischen Auseinandersetzung anbieten und für das, was im Rahmen des damit verbundenen Kunstwerkes geschieht, für die vom Werk induzierte künstlerische Erfahrung, entscheidend sind.
Somit stehen alle, vor allem die, die die informellen Kunstwerke verstehen wollen, vor einem Dilemma. Denn allein das, was sich an den Verstand richtet und rational verstanden werden kann, kann mittels gesprochener Sprache ausgedrückt werden. So ist die Sprache in der Tat dafür kaum geeignet, etwas, das sich als Mitteilung nicht an den Verstand richtet, in Worte zu fassen.
Das Kunstwerk ist Handwerk mit Prädikat und das Prädikat ist die Fähigkeit, eine sinnenhafte Erfahrung – man kann sie als künstlerische Erfahrung bezeichnen – zu induzieren. In diesem Zusammenhang möchte ich Bezug auf Josef de Ponte nehmen, den Künstler, der die Kunst nie als Illustration verstanden hat, sondern in der Auseinandersetzung mit dem Medium als Ansatz einer Deutung, die sich zur Deutung anbietet. Das Ziel künstlerischen Geschehens, des Austausches zwischen Künstlern, Kritikern, Auftraggebern und dem Publikum, ist somit letztendlich auch nicht das Werk, sondern der jeweilige Weg zum Kunstwerk, das heißt die Auseinandersetzung damit. Die Auseinandersetzung ist das Wesen des Lebendigen. Durch die Auseinandersetzung mit den Ihnen gegenüberstehenden Werken und der damit verbundenen Erfahrung lassen Sie die Kunst nicht allein zum „gehobenen“ Freizeitvertreib werden, Sie verleihen der Kunst dadurch existentiellen und dem künstlerischen Erfahrungsakt einen ontologischen Sinn.
Strengen Sie sich daher bitte nicht an, das Ihnen gegenüberstehende Bild zu verstehen. Versuchen sie es eher, mit jedem Werk zu einer vollendeten Harmonie persönlicher Ganzheit zu finden. Akzeptieren Sie das, was Sie sehen, und nehmen Sie es als wahr an. Folgen Sie dem Rat von Mark Rothko und gehen Sie auf die Farben zu, lassen Sie sich von ihnen durchtränken. Gehen Sie anschließend in ihnen auf, als ob es Musik sei. „Bevor man überhaupt weiß“, so Paul Gauguin, „was das Bild darstellt, ist man doch sofort ergriffen vom magischen Akkord seiner Farben.“
Wenn Ihnen dann irgendwann diese Erfahrung fehlen wird, dann haben Sie auch das, was Kunst ist, erfahren. Das Erfahren ist nichts anderes als sinnenhaftes Begreifen. Nichts anderes spricht Josef de Ponte in einem tiefsinnigen Satz aus: „Das Kunstwerk versteht allein der, der es vermisst.“ Ein Kunstwerk ist daher kein objektiver Bedarf, Kunst ist Bedürfnis.
Daher bitte ich Sie, selbst zu den jeweiligen Werken zu finden. Lassen Sie bitte die ausgestellten Werke einfach auf Sie wirken und leiten Sie den Weg zu ihnen und zu den sich präsentierenden Künstlern aus der Freude an der Betrachtung ab. An ihr allein, am Bedürfnis, sich damit auseinandersetzen zu wollen, an dem, was sie in Ihrem Gemüt bewirken, lassen sich die Werke und der allgemeine Erfolg ihrer Präsentation „messen“.
Sollten Sie sich vor dem einen oder anderem Werk unter Umständen auch noch fragen, ob das Bild gut ist oder nicht, denken Sie dann bitte an die Worte des amerikanischen Künstlers Eddy Breen: „Es gibt weder gute noch schlechte Kunst, es gibt allein Kunst die gefällt und die nicht gefällt.“ Und wenn Sie dann noch verstehen möchten, warum es Ihnen gefällt, dann denken Sie bitte wieder mal an eine Blume, die Sie schön finden, ohne sich zu fragen, warum sie schön ist.
Ich freue mich, Sie auch im Namen der Donauschwäbischen Kulturstiftung des Landes Baden-Württemberg grüßen zu dürfen, einer Förderinstitution, deren Existenz sich aus den engen Beziehungen zwischen dem Land Baden-Württemberg, Ungarn und den Ungarndeutschen ergeben hat und wünsche Ihnen einen spannenden Erfahrungsabend.
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In Bewegung, Gemeinschaftsausstellung der VUdAK-Künstlersektion
Kurator: Ákos Matzon, Ehrenvorsitzender der VUdAK-Künstlersektion
Teilnehmende Künstler: Josef Bartl, Péter Berentz, Bernadett Breszkovics, István Damó, Jakob Forster, Julius Frömmel, Antal Dechandt, Ingo Glass, László Hajdú, Erzsébet Horváth, György Jovián, Manfred Karsch, Gábor Kovács-Gombos, Robert König, Endre Lehel, Erzsébet Lieber, Antal Lux, Ákos Matzon, Adam Misch, Volker Schwarz, Csaba Szegedi, Géza Szily, János Wagner, Peter Wrobel
Gefördert durch das Ministerpräsidentenamt über den Bethlen-Gábor-Fondsverwalter (NCIV-KP-1-2022/1-000307)
Quelle: VUdAK