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„Beim Schreiben wird die Welt größer, weil wir sie durch die Augen eines anderen sehen. Und das ist das Schöne an der Literatur. Ich kann mich beim Schreiben auch ein bisschen vergessen.“ Iris Wolff, die 1977 in Hermannstadt (Rumänien) geboren wurde, erhielt nicht nur unzählige Preise und Auszeichnungen für ihre Bücher, sondern ist auch im echten Leben eine charismatische und authentische Schriftstellerin.
Das Besondere an ihrem Buch „Die Unschärfe der Welt“ ist genau dieses „durch die Augen eines anderen sehen“. Denn der Protagonist Samuel bekommt keine eigene Stimme. Er erhält ein eigenes Gesicht durch Erzählungen aus den Sichtweisen von wichtigen Personen seines Lebens. Denn was macht einen zu dem Menschen, der man ist? Die Bekannten, Begegnungen, Ereignisse, die Familie oder auch politische Zusammenhänge. All das formt einen. So stecken sieben einzelne, neue Geschichten in diesem einen Buch, die alle vom Protagonisten Samuel zusammengehalten werden. Die Schriftstellerin erzählt die Geschichte einer evangelischen Pfarrersfamilie, die in eine der zwei evangelischen Gemeinden im Banat entsandt wird. Die schwierigen äußeren Umstände – Securitate-Verhöre, In-der-Schlange-stehen, Abtreibungsverbot im sozialistischen Rumänien und dessen desaströse Folgen, Bespitzelung – stärken den Zusammenhalt in der Familie und lassen sie nicht an allem zerbrechen.
Mit großer Freude durften die Zuschauer die aus Freiburg angereiste international bekannte Schriftstellerin am 11. April im Literaturcafé „Drei Raben“ unter der Moderation von Wilhelm Droste sowie am 12. April im Haus der Ungarndeutschen unter der Moderation von Johann Schuth begrüßen. Während ihrer Lesungen erhielten die Besucher einen Einblick in das Buch, einen Einblick hinter die Fassaden der einzelnen Figuren und auch einen Einblick in das Leben von Iris Wolff. Mit ihrer ruhigen und ausgeglichenen Art trug sie einen mit ihrer Stimme und den Zeilen ihres Buches wie auf einer seichten Welle in eine andere Welt. Alle ihre Bücher finden ihren Weg in den für sie so spannenden Raum Siebenbürgen oder Banat, in dem es für die Autorin einen Vielklang aus Sprachen, Geschichten und Kulturen gäbe.
Doch was bedeutet eigentlich der Titel des Buches? „Man verfehlt die Wirklichkeit immer haarscharf in der Sprache. Und wenn man schweigt, kann man die Vielfalt und Offenheit der Welt besser wahrnehmen, weil wir sie dann nicht konventionalisieren oder reduzieren. Dieses Buch ist ein Plädoyer der Unschärfe und Offenheit der Welt gegenüber. Auch ein wenig Quantenphysik klingt dort mit hinein. Eigentlich weiß man gar nicht wirklich, was die Welt im Innersten zusammenhält, egal ob in der Sprache, der Wissenschaft oder in der Kunst. Wir interpretieren die Wirklichkeit immer nur.“ Und wenn man tatsächlich mal eine Schreibblockade hat? Oder selbst einmal etwas schreiben will? Wie Iris Wolff so schön sagte: „Man muss leben, damit man etwas schreiben kann.“ Wie es wäre, über ein Leben zu lesen, von der Geburt bis zum Tod, aber nie aus der Perspektive der Hauptfigur, sondern nur anhand der Berührung mit anderen Leben, finden Sie in diesem Buch heraus.
Ganz herzlich bedanken wir uns beim Deutschen Kulturforums östliches Europa sowie beim Ungarndeutschen Kultur- und Informationszentrum Budapest, dem Literaturcafé „Drei Raben“ und dem Germanistik-Institut der Eötvös-Loránd-Universität Budapest. Zu guter Letzt natürlich nicht zu vergessen bei der Autorin selbst, die uns mit ihren Worten verzauberte und vielen das aufgeregte Kribbeln im Bauch beschert hat, einmal einer Schriftstellerin persönlich begegnen zu dürfen.
Tanja de Wall – Neue Zeitung
Foto: Zentrum.hu
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Organisatoren:
Ungarndeutsches Kultur- und Informationszentrum und Bibliothek
Deutsches Kulturforum östliches Europa (Potsdam)
Förderer:
Landesselbstverwaltung der Ungarndeutschen
Ministerpräsidentenamt • Staatssekretariat für Nationalpolitik
Ministerpräsidium über den Bethlen-Gábor-Fondsverwalter (NKUL-KP-1-2022/2-000542)